Brief von Jacques Gaillot
vom 1. Mai 1998


 

 

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Friedenstaube über Belfast

 

Nach dreissig Jahren Bürgerkrieg scheint nun doch der Friede in Nordirland einzukehren - eine gute Nachricht, die uns mit Freude erfüllt. Resigniert, mit einem Gefühl der Ohnmacht waren wir Zeugen der Gewalttätigkeiten, der terroristischen Attentate, denen mehr als 3000 Menschen zum Opfer gefallen sind.
Und plötzlich kündigt sich uns ein unverhoffter Frühling an.
Es ist nur ein Anfang. Dieses Abkommen ist wie ein Fenster, das man nach vielen vergeblichen Versuchen endlich hat öffnen können. Aber jetzt muß man darauf achten, dass es sich nicht wieder schließt.
 
Ein Abkommen ist noch kein Friede. Seine Feinde sind immer noch da. Aber schon ist uns klargeworden, dass die bewaffnete Repression in eine Sackgasse führen mußte, dass Waffengewalt kein positives Ergebnis zeitigen kann.
Ohne die realistische Einstellung und Entschlußkraft einiger Politiker hätten sich die Verantwortlichen nie an einen Tisch gesetzt. Nun ist es möglich geworden, dass die Feinde von gestern miteinander sprechen, verhandeln, zukunftsweisende Pläne schmieden - und allen zeigen, dass es weder Sieger noch Besiegte gibt.
 
Im Grunde genommen muß alles noch getan, viele Hindernisse müssen noch überwunden werden. Es ist leichter, den Krieg fortzuführen, als am Frieden zu bauen. Aber der Wunsch und der Wille zu leben werden nicht mehr durch Haß zunichte gemacht werden können. Ein neues Kapitel beginnt.
Wieso brauchte man dreissig Jahre, um einzusehen, dass die Gewalt in eine Sackgasse führt und dass man nur durch Verhandeln weiterkommt?
Warum soviel Leid, soviel vergossenes Blut? Warum all diese Prüfungen, wozu all die Trauer? Warum soviel verlorene Zeit und so viele zerstörte Menschenleben?
Werden die Länder, die seit Jahren von blutigen Bruderkriegen zerrissen sind, von den Erfahrungen Nordirlands lernen können? Ich denke an die Türkei mit den Kurden, an Spanien mit den Basken, an Mexiko mit den Chiapas-Indianern ... Man könnte die Litanei fortsetzen.
Die Friedenstaube von Belfast könnte auch für andere zum Zeichen werden. Wohin wird sie morgen fliegen, welchem Land wird sie - zu unserer Freude - morgen Hoffnung bringen?






Jacques Gaillot








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