|
|
In der Bibel gelesen
|
|
In Gruppen werden die evangelischen Texte verjüngt
und aktualisiert!
Eine Gruppe aus dem Gard läßt uns an ihrer Bibellektüre
teilnehmen:
Mt 5,38-48 und Lk 6,27-35
"Liebet eure Feinde"
|
|
Was hier vor allem als wichtig erscheint, ist die Tatsache,
dass Jesus die aktive Gewaltlosigkeit erfindet. Die Gewaltlosigkeit
gab es zwar früher schon in Indien im Dschainismus, aber
das war, soweit wir wissen, eine Art poetischer Mystik.
Bei Jesus geht es um etwas sehr Konkretes: das Durchhalten,
wenn man sich mitten in einem Konflikt befindet.
- Früher (und leider oft auch heute) kannte man im
Allgemeinen nur zwei mögliche Haltungen gegenüber einem
Angreifer oder einem Unterdrücker:
- die Reaktion durch Gewalt (zurückschlagen, möglichst
mit größerer
- Heftigkeit)
- sich ergeben und/oder flüchten.
Jesus aber gibt den Rat, dem andern in die Augen zu sehen
und einen Dialog zu beginnen, also beinahe eine Provokation,
die aber motiviert ist durch die Liebe und die Hoffnung, das
Gewissen des andern "anzugreifen", auf die Gefahr hin,
noch mehr zu leiden - also eine mutige Haltung. Das Feindbild
zerfällt, da der andere als Person betrachtet wird. Das
Böse wird durch das Gute überwältigt, da durch
den Beginn eines Dialogs jeder von seiner Angst und Aggressivität
befreit wird.
Alle gewaltlosen Kämpfer unserer Zeit haben diese Methode
angewendet, auf verschiedene, phantasievolle Arten: Gandhi, Martin
Luther King, die Bauern von Larzac, die Tschechen 1968
|
|
Gandhi hat, als er als Student in London weilte, mit großer
Freude die Evangelien entdeckt ... |
|
|
"Die Überfülle"
In beiden Texten scheint die Überfülle der Liebe
zwischen den Zeilen auf. Wenn dir jemand dein Hemd nimmt, dann
gib ihm auch den Mantel, wenn jemand von dir verlangt, eine Meile
mit ihm zu gehen, dann geh mit ihm zwei, wenn dich jemand auf
die rechte Wange schlägt, dann halte auch die linke hin,
wenn du bestohlen wirst, beklage dich nicht; liebt diejenigen,
die euch nicht lieben, liebt eure Feinde.
|
Was bedeutet das? Seine Habe, seine Zeit schenken, zuhören.,
reden, noch mehr geben, sogar und vor allem denen, die euch bestehlen,
euch hassen, eure Feinde oder auch nur lästig sind. |
Chouraqui übersetzt übrigens Mt 5,47 durch: "Wenn
ihr nur eure Brüder grüsst, was tut ihr da an Überfülle?"
Wie Gott, der im Übermaß Gnaden, Fähigkeiten
und Charismen schenkt, wie Gott, der hundertfach vergilt, was
andern gegeben wurde, werden wir aufgerufen zu geben, ohne zu
erwarten, dass wir etwas zurückerhalten, ohne zu verzweifeln.
Denn in dem Maße, in dem wir nichts als Gegenleistung erwarten
für unsere Überfülle, wird uns Überfülle
zuteil werden. Machen wir in Liebe konkrete Geschenke, Gott wird
daraus noch mehr Liebe schaffen. Geben wir Materielles, Gott
wird daraus Spirituelles machen.
In den "Misérables" von Victor Hugo verhaftet
die Polizei den ehemaligen Zwangsarbeiter Jean Valjean, weil
sie ihn verdächtigt, das Silberbesteck des Bischofs von
Digne gestohlen zu haben (was auch tatsächlich der Fall
war). Der Bischof, Mgr Myriel, klagt ihn aber nicht auch noch
an, er wäscht ihn von aller Schuld rein, indem er sagt,
er selber habe ihm dieses Besteck gegeben, und er schenkt ihm
obendrein noch zwei silberne Kerzenständer: Überfülle
des Verzeihens und des Nicht-Verurteilens. Der ehemalige Häftling
wird durch dieses Geschenk ein freier Mann, er hat die Möglichkeit
zu leben, ohne je wieder zum Dieb zu werden. |