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  Brief von Georges Vimard: Priester in Gaza
  Die Botschaft von Gaza
  Der eine stirbt und der andere auch 


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Botschaft
von
Gaza
 Karte: Israel-Palästina

Wenn ich Abou Salem frage, was denn der Unterschied sei zwischen der Intifada von 1987 und dem, was man heute die Intifada al Aqsa nennt, antwortet er mir: "Die Polizei ist palästinensisch, die Ambulanzen sind palästinensisch, und die Toten sind immer noch Palästinenser." In der Tat wird die vom Menschenrechts-Zentrum in Gaza herausgegebene Liste der Opfer täglich länger; sie enthält Angaben über ihr Alter (durchschnittlich 22), ihren Herkunftsort (meistens Flüchtlingslager) und die Stelle, wo die tödliche Kugel eingedrungen ist (Kopf und Herz). 140 wurden getötet, 4000 verletzt (davon einige sehr schwer). Die israelische Armee gibt ihrerseits den Tod von 12 israelischen Arabern, 9 israelischen Juden und 2 Drusen bekannt.
Erschreckend: "no comment!"

 Gewalt  Frieden, die einzige Alternative

Zwei Intifadas, zwei Aufstände, die dieselbe Triebfeder haben: die Demütigung, denn es gibt nichts Schlimmeres. Dem ersten Aufstand lag die Hoffnung zu Grunde, Verhandlungen zu erreichen, das war dann das Abkommen von Oslo; die zweite Revolte entstand aus Verzweiflung. Vor unser aller Augen explodiert die Gewalt, hervorgerufen durch tägliche, viel zu lange erduldete Unterdrückung.
Ich kam im September 1995 ins Land, damals herrschte eine gewisse Euphorie wegen den ersten sichtbaren Folgen der Abkommen von Oslo. "Gaza und Jericho zuerst" im Mai 1994, dann die historische Rückkehr Arafats - so wurde die Gründung des Staates Palästina vorbereitet, auf 20/100 des historischen Palästina, nämlich Cisjordanien und Ostjerusalem. Was man nach sechs Jahren feststellen kann, ist die Wirkungslosigkeit dieser Abkommen, die Unfähigkeit, den Palästinensern zu ihrem Recht zu verhelfen.
Mitten in den sich überstürzenden Ereignissen - Rabins Ermordung, die vor palästinensischen Städten in Stellung gehende israelische Armee, die mörderischen Hamas-Attentate, die ersten Wahlen der Legislative, die Regierungswechsel in Israel; um nur von den ersten Monaten des Jahres 1996 zu sprechen - wurde sich der Neuankömmling, der ich war, bewusst, dass dies kein guter Start für den Friedensprozess war.

 Der Aufschrei des Volkes Taba, Oslo2, Gipfel von Charm-el-Cheikh und Wye Plantation, Erez, Camp David…  

all diesen Gipfeltreffen folgte Wortbruch und Erpressung, aus der Hoffnung von Oslo wurden "humanitäre Regelungen", und vor allen Dingen ging die Basis der Verhandlungen vergessen: die UNO-Resolutionen.
Wer sieht nicht, wenn er vor Ort ist, dass die Logik der militärischen Besetzung nie aufgehört hat? Die Ausdehnung der Siedlungen und ihrer Strassennetze haben die Dörfer und Städte der Palästinenser isoliert, ihr Leben ist dadurch unmöglich geworden.
Die Intifada el Aqsa ist ein offener Krieg mit Tanks und Helikoptern gegen Zivilisten. Die UNO kann Israel einmal mehr verurteilen - "es ist eine rein bilaterale Angelegenheit zwischen Israeli und Palästinensern. Und Amerikanern!"

 gegen die Zivilbevölkerung An diesem Donnerstag, 12. Oktober, fallen Bomben. Nach dem ersten Schrecken hat man fast das Gefühl, live einen schlechten Rambo-Film mitzuerleben.  

Man sieht, dass die Abkommen von Oslo das Volk vor gar nichts schützen. "Macht euch klein, sonst helfen wir nach."
Bombardierungen, Vergeltungsschläge, derselbe Wortschatz wird auch für den Krieg im Irak angewendet, und dieselben Waffen töten wohl Iraker und Palästinenser, in erster Linie Kinder.
Die Flughäfen von Bagdad und von Gaza werden kontrolliert, die Wirtschaft wird abgewürgt, das nationale Erbe wird geplündert.
Zwei Völker, die direkt oder indirekt von den Nationen im Stich gelassen wurden.
   

 

   

Der eine stirbt
und der andere auch
 Die Angst
Die Konfrontationen, die sich mit den israelischen Arabern zum ersten Mal bis nach Galiläa ausweiteten, finden alle in den Autonomen Gebieten der Palästinenser statt.
Sieben Jahre sind vergangen seit der Unterzeichnung der Oslo-Verträge, bei denen die ganze Welt in Washington Zeuge war. Was tun die Israeli in einem Land, das nicht das Ihre ist?
Sieben Jahre nach der Unterzeichnung der Oslo-Verträge, in diesem Augenblick, kann eine Besetzer-Armee ungestraft die herrliche Oase im Süden von Gaza verwüsten, Gärten und Wasserleitungen zerstören, Palmen- und Olivenhaine umlegen unter dem Vorwand, dass sich dort "Terroristen verstecken und uns angreifen könnten"! Die Angst, die Bäume - dies alles erinnert mich an den biblischen Genesis-Bericht, wo die Menschheit ihre Nacktheit entdeckt. Ein Mensch kann noch so stark und gut bewaffnet sein, Gott zeigt ihm, dass der andere, der Verletzliche, sein Mitmensch ist.

Das Lager von Chateh ist erfüllt vom Geschrei der Leute, die einen ihrer Märtyrer zu Grabe tragen. Die Menge schreit im Namen dessen, der jetzt stumm ist, aber trotzdem auf schreckliche Art gegenwärtig durch seinen zur Schau gestellten, blutigen, in den Farben Palästinas gewickelten Körper.
Ich vernehme die faszinierende Psalmodie des Muezzins, die in der Menge untergeht und dann wieder daraus emporsteigt: "Glaube ja nicht, dass diejenigen, die als Kämpfer auf Gottes Weg getötet werden, tot sind. Sie sind lebendig." Sure 3,169.

Ich höre noch den Taxichauffeur, der mir soeben sagte - er zeichnete dabei auf seiner Handfläche ein winziges Territorium -: "Palästina ist gestorben!"

Ihr Schrei wird das Veto der UNO weiterhin übertönen. Und ihre nackte Hand sucht weiterhin nach einem rechten Maß an Gerechtigkeit und Frieden.

Georges Vimard, Priester in Gaza


   

Dank dem Chatraum der Partenia-Homepage habt ihr die Möglichkeit, auf diesen Text zu reagieren und im Gespräch mit Salim, Ala Nizar, Elias, Rasha, einigen Studenten von Gaza, auf folgende Fragen einzugehen:

 - Die Religion, identitätsstiftende Zuflucht (besonders für Jugendliche ohne Zukunftsperspektiven).
 - Umgang mit Gewalt (Friedenskultur im Islam und im Judaismus) 
 - Krieg der Bilder und der Worte (Zeitungen und Internet: Desinformation, Halbwahrheiten, Unwahrheiten, organisierte Propaganda ... 

Update, 13. November 2000