Biographie von Bischof Gaillot |
Diözese ohne Grenzen |
Partenia befand sich, zur Zeit des heiligen Augustinus (4. Jahrhundert), in der «Mauritanie Sitifienne», also in der Gegend von Setif, in den Hochebenen des heutigen Algerien.
Man weiß praktisch nichts über diese Diözese, weder über ihre Entstehung noch über ihre genaue geographische Lage. Es ist nutzlos, sich heute dorthin zu begeben, denn sie ist im Sand verschwunden.
Im Jahre 484 fielen Vandalen ins Land ein. Ihr König berief in seinem Palast in Karthago eine Bischofsversammlung ein. Rogatus, der Bischof von Partenia, wurde verfolgt und in die Verbannung geschickt.
Da Partenia nicht mehr existiert, wird es zum Symbol all derer, die in der Gesellschaft und in der Kirche das Gefühl haben, nicht mehr zu existieren. Es ist eine weite Diözese ohne Grenzen, in der die Sonne nie untergeht.
Jacques Gaillot wurde am 11. September
1935 in St-Dizier en Champagne geboren. Seine Familie war im
Weinhandel tätig. Schon sehr früh erwacht in ihm der
Wunsch, Priester zu werden. Nach der Mittelschule tritt er ins
Priesterseminar von Langres ein.
Von 1957 bis 1959 leistet er in Algerien seinen Militärdienst. Er wird dort mit den Gewalttaten des Krieges konfrontiert. Diese Erfahrung führt ihn dazu, sich mit der Gewaltlosigkeit auseinander zu setzen. Bei dieser Gelegenheit entdeckt er auch die muslimische Welt und knüpft starke Bande der Freundschaft mit den Algeriern.
Von 1960 bis 1962 weilt er in Rom,
um sein Theologiestudium weiterzuführen und das Lizenziat
zu erwerben. Im März 1961 wird er zum Priester geweiht.
1962 wird er für zwei Jahre für weitere Studien nach
Paris ans Institut supérieur de Liturgie geschickt. Gleichzeitig
unterrichtet er am Grand Séminaire von Chalons
en Champagne.
Von 1965 bis 1972 lehrt er am Regionalseminar von Reims. Er ist
verantwortlich für die Organisation zahlreicher Sitzungen
im Rahmen der Umsetzung der Neuerungen des II. Vatikanischen
Konzils.
1973 wird er zum Pfarrer seiner Heimatstadt St-Dizier ernannt.
Zur selben Zeit wird er auch mitverantwortlicher Leiter des Instituts
für die Schulung der Priesterausbilder (Institut de formation
des éducateurs du clergé IFEC) in Paris.
1977 wird er zum Generalvikar der Diözese Langres ernannt.
1981 erfolgt die Wahl zum Kapitularvikar.
Im Mai 1982 wird er zum Bischof von Evreux ernannt.
Als Mann der Tat, der aktiv ins Zeitgeschehen
eingreift, hat Jacques Gailllot oft zu aktuellen Ereignissen
Stellung bezogen. Im Jahre 1983 unterstützt er vor dem Gericht
von Evreux einen jungen Militärdienstverweigerer aus Gewissensgründen.
Im Oktober 1983, an der Jahresversammlung der Bischöfe,
ist er einer der beiden Bischöfe, die gegen den Text des
Episkopats zur nuklearen Abschreckung stimmen. 1985 spricht er
sich für die Unterstützung der palästinensischen
Revolte in den besetzten Gebieten aus und kommt in Tunis mit
Yassir Arafat zusammen. Von der UNO wird er zu einer außerordentlichen
Sitzung eingeladen, an der über die Abrüstung debattiert
wird. Im Juli 1987 reist er nach Südafrika, um dort einen
jungen Antiapartheidsaktivisten aus Evreux zu treffen, der vom
Regime in Pretoria zu vier Jahren Gefängnis verurteilt worden
ist. Wegen dieser Reise muss er darauf verzichten, auf der diözesanen
Pilgerreise nach Lourdes als Begleiter mitzuwirken, was Kritik
zur Folge hat.
Im November 1988 tritt er anlässlich der in Lourdes hinter
verschlossenen Türen tagenden Vollversammlung für die
Priesterweihe verheirateter Männer ein.
Im Oktober 1989 nimmt er an einer
Reise nach Französisch-Polynesien teil, die von der Friedensbewegung
organisiert worden ist, um den Stopp der Atomwaffenversuche zu
fordern.
Am 12. Dezember 1989 beteiligt er sich als einziger französischer
Bischof an der Überführung der Asche des Abbé
Grégoire in den Panthéon.
1991 manifestiert er im Buch Lettre ouverte à ceux
qui prêchent la guerre et la font faire aux autres
(«Offener Brief an die, die den Krieg predigen, diesen
aber andere führen lassen») seine Ablehnung des Golfkriegs
gegen den Irak.
Jacques Gaillot führte eine Synode durch, die drei Jahre dauerte. Er schrieb etwa ein Dutzend Bücher, von denen vor allem Coup de gueule contre l'exclusion («Protestschrei gegen den Ausschluss») für Aufsehen sorgte. Es ist eine scharfe Kritik an den Einwanderungsgesetzen des damaligen Innenministers. Dieses Buch lieferte später Rom den Vorwand für seine Absetzung.
Jacques Gaillot ist überzeugt;
dass die Kommunikation in der modernen Welt nirgends so effizient
erfolgen kann wie durch die Medien, welcher Art sie auch sein
mögen. Er steht offen zu seiner Überzeugung, scheut
sich nicht vor dem Wörtchen «Ich» und legt seine
Gedanken in einfacher und klarer Form dar.
Seine Treue zum Evangelium kommt vor allem in seiner Sorge um
die Armen und die Menschen am Rande der Gesellschaft zum Ausdruck,
auch in seiner Kompromisslosigkeit und dem Willen, der Gerechtigkeit
und dem Frieden zum Durchbruch zu verhelfen. Die Überzeugung,
dass Jesus der Menschheit gehört und nicht allein der Christenheit,
dass die verlorenen Schafe es wert sind, dass man, um sie zu
suchen, die anderen zurücklässt.
1995 wird Jacques Gaillot nach Rom
beordert. Es ist, als würde eine Guillotine herunterstürzen:
«Morgen Freitag, 13. Januar um zwölf Uhr mittags,
sind Sie nicht mehr Bischof von Evreux.» Jacques Gaillot
wird Titularbischof von Partenia, ein ehemaliges Bistum in der
Hochebene von Sétif in Algerien, etwa dort, wo er als
junger Mann seinen Militärdienst leistete. Dieses Bistum,
das im 5. Jahrhundert verschwunden ist, wird zum Symbol für
all jene, die in der Gesellschaft und in der Kirche das Gefühl
haben, nicht zu existieren.
Roms Beschluss wird als Ungerechtigkeit empfunden; er stößt
in Frankreich, aber auch im Ausland auf großes Unverständnis
und schlägt bei Christen und Nichtchristen tiefe Wunden.
Nach dem Auszug aus dem bischöflichen Palais in Evreux wohnt Jacques Gaillot ein Jahr lang mitten unter den Familien der Sans-papiers im berühmten besetzten Haus an der Rue du Dragon in Paris. Er macht bei den Organisationen mit, die für die Rechte der Papierlosen und der Menschen ohne anständige Wohnung einstehen, und wird zum Bischof für die Armen. Oft wird er auch ins Ausland gerufen, zum Beispiel um politische Gefangene zu verteidigen oder um gegen Verletzungen der Menschenrechte zu protestieren.
1995 erscheint sein Buch Je prends la liberté (dt. Übersetzung: «Sonnenaufgang in der Wüste - Ich wähle die Freiheit», 1997, ISBN 3-905585-00-6, Edition K. Haller).
1996 entsteht die Partenia-Homepage.
Diese wird schon sehr bald von Zürich aus gestaltet; sie
wird weiter entwickelt und existiert nunmehr in 7 Sprachen. Die
Homepage enthält ein Gesprächsforum, «Unterwegs»
sind Berichte von Begegnungen und Stellungnahmen zum aktuellen
Geschehen. «Die aufgeschlagene Bibel» ist ein lebendiger
Ausdruck des Glaubens.
Jacques Gaillot wohnt heute in der Spiritaner-Gemeinschaft in
Paris, die ihn wie einen Bruder aufgenommen haben.
Anlässlich des Jubeljahres im
Mai 2000 lädt ihn der Präsident der französischen
Bischofskonferenz nach Lyon zu einer ökumenischen Begegnung
mit den Bischöfen ein. Er richtet einen Brief an ihn, der
dann auch veröffentlicht wird: «Es ist wichtig,
dass die Katholiken und auch die Öffentlichkeit im Allgemeinen
wissen, dass uns sehr wohl ein brüderliches Band vereint,
wenn diese Verbundenheit auch auf besondere Art gelebt wird.»
Er beendet seinen Brief mit den Worten: «Du bleibst unser
Bruder im Bischofsamt.»
Diese «Wetterbesserung» bleibt allerdings ohne konkrete Folgen. Der Bischof von Partenia wird nicht zu den französischen Bischofskonferenzen eingeladen, ist nicht in offizielle kirchliche Aufgaben eingebunden.
2003 erscheint Un catéchisme au goût de liberté (dt. Übersetzung: «Ein Katechismus, der Freiheit atmet», 2004, ISBN 3-905585-04-9, Edition K. Haller), ein Gemeinschaftswerk von Jacques Gaillot, Alice Gombault und Pierre de Locht.
Im Januar 2005 feiert PARTENIA, Diözese ohne Grenzen das 10-jährige Bestehen .