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In der Bibel gelesen
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"Du bist Petrus
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Der offizielle Text, der für den Abschluss der Gebetswoche
für die Einheit der Kirchen ausgewählt wurde, ist eine
Stelle, die nur allzu bekannt ist:
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"Du bist Petrus, und auf diesem Felsen will ich
meine Kirche bauen, von nun an wirst du binden und lösen"
(Mt 16,15-18). |
Unsere kleine Gruppe, die sich zur Lektüre des Evangeliums
zusammenfindet, hatte für diesen Versuch der institutionellen
Macht, sich selbst zu rechtfertigen, kein Verständnis. Es
herrschte ein wahres Tohuwabohu, und die Prädikate waren
nicht sehr schmeichelhaft: "sich selbst verherrlichend,
ärgerlich, parteiisch, tendenziös". Die schlimmsten
erspare ich Ihnen ...
Dann siegte jedoch unsere Friedfertigkeit, und wir versuchten,
den Text zu verdauen und uns zu fragen: Was sagt uns dieser verflixte
Text für unser heutiges Leben? Leicht war es nicht, aber
wir versuchten, mögliche Wege aufzuzeigen. Und schließlich
trugen unsere Bemühungen Früchte.
Jemand wählte den evangelischen Weg (des Textes). Man
könnte einen fast identischen Text zitieren, vom selben
Evangelisten, bloß zwei Kapitel weiter (Mt 18,18), aus
dem deutlich hervorgeht, dass jedermann aufgerufen ist, zu binden
und zu lösen: "Wahrlich, ich sage euch, was immer
ihr auf Erden binden werdet, wird auch im Himmel gebunden sein,
und was ihr auf Erden lösen werdet, wird auch im Himmel
gelöst sein". Das gibt eine ganz andere Perspektive,
statt eines einseitigen Machtanspruchs ist es nun ein Elan, der
alle erfasst.
Eine andere wählte den protestantischen Weg (der Begegnung):
Ich habe einen Pastor gefragt, wie er diesen Text interpretiert,
der mich so stört. Er schien damit keine Probleme zu haben,
das Wortspiel mit "Petrus" und "Fels" wäre
nichts anderes als eine scherzhafte Aussage, und nach seiner
Übersetzung heisst es: "der Felsen dieses Glaubens,
dieses Vertrauens auf Jesus, ist die Grundlage jeder Gemeinschaft".
Der kulturelle Weg (der Übersetzung) wurde ebenfalls
beschritten: Die Bilder der damaligen Zeit sind nicht die Bilder,
die wir heute gebrauchen. Mit all den Schwierigkeiten, die eine
Adaptation an unsere Kulturen, die auf das Geschriebene oft so
allergisch reagieren, mit sich bringt. Ist es von den Christen
unseres Jahrtausends nicht zu viel verlangt, einen so langen
kulturellen Umweg zu machen?
Manches kam an die Oberfläche, auch wenn wir leider nicht
allzu viel Zeit zur Verfügung hatten. Ich für meinen
Teil ziehe daraus die Schlussfolgerung, dass es in fast allen
Lebensbereichen, in der Familie, im Beruf, in den Vereinigungen,
nötig ist, dass man seine Sicht, sein Wissen, seine Überzeugungen
in einfache Worte "übersetzt", mit einer
respektvollen Haltung gegenüber seinem Gesprächspartner,
und durch ein Verhalten, das dieser inneren Überzeugung
immer besser Rechnung trägt. Ich sehe darin so etwas wie
eine immerwährende Aufforderung zur Fleischwerdung, und
so wird dieser Text zur Quelle der Dynamik. Wir haben noch nicht
alle Facetten davon entdeckt. |