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Mit den Freimaurern (Amiens)
Sie sind allesamt schwarz gekleidet, würdig, steif, mit
aufmerksamer Miene. Sie gehören verschiedenen Logen an.
Einige sind von weit her gekommen.
Ich fühle, dass ich hier nicht einfach so empfangen werde,
ohne etwas beizutragen. Nach und nach entspannen sich die Gesichter
während meiner Ansprache. Ein Hauch von Menschlichkeit wird
spürbar. Beim Essen dann nimmt die Begegnung vollends einen
brüderlichen, fröhlichen Charakter an.
Während ich ihre Fragen entgegennehme, denke ich mir bei
mir selbst:: Was für Bilder der katholischen Kirche tragen
sie in sich? Ohne Zweifel das Bild einer Kirche, unter der die
Leute leiden, oder das Bild einer Kirche, die ihre Macht demonstriert
Wie immer braucht es den Austausch, die Begegnung mit dem Anderen,
um seine eigene Identität zu finden. Ich brauche sie. Sie
brauchen mich. Nach der Versammlung vertraut mir ein Freimaurer
an: "Sie haben mir die Kirche näher gebracht." |
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In der Adda'Wa-Moschee in Paris) |
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Wie jedes Jahr werde ich vom soziokulturellen Zentrum der
Adda´Wa-Moschee zu einer Mahlzeit eingeladen, um das Fastenbrechen
am Ende des Ramadan zu feiern. 300 Personen nehmen in einem schön
geschmückten Saal Platz. Ein wahrhaft ökumenisches
Treffen, sind doch nicht nur Juden, Christen und Moslems dabei,
sondern auch Vertreter der Vereine, kultureller und politischer
Kreise.
Ich freue mich über das Wiedersehen mit Larbi Kechat, einem
alten Freund. Ich schätze seinen Glauben an Gott, die Achtung,
die er andern entgegenbringt, seine tolerante Einstellung.
Nach einem ausgezeichneten Couscous ergreifen verschiedene Redner
das Wort; heute steht das Thema Staatsbürgerschaft und Mitbestimmung
im Mittelpunkt. Ich rede über diejenigen, die davon ausgeschlossen
sind.
Im Verlauf dieses geselligen Abends denke ich an die Leute, die
sich vor dem Islam fürchten und mich manchmal vor ihm warnen.
Ich wünschte mir, sie wären hier, um dieses andere
Gesicht des Islams zu entdecken. Einen Islam, mit dem man in
einem Klima des Respekts und der Toleranz leben kann. |
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Turbulenzen
Ob ich nun in Evreux bin oder anderswo, immer wieder gerate
ich in "Turbulenzen". Der Fall eines pädophilen
Priesters ist gravierend - ein junger Mensch ist das Opfer.
Dieser Jugendliche hat den Mut gehabt, die Mauer des Schweigens
zu brechen und sich an die Justiz zu wenden. Wir leiden alle
mit, seine Familie, die Diözese von Evreux, ich selber.
Da ich diesen Priester aus Quebec in der Diözese aufgenommen
und ihm eine Pfarrei anvertraut habe, ist es klar, dass ich in
der Schusslinie bin.
Die Medien beginnen sich für den Fall zu interessieren.
Mit meinem Anwalt zusammen verfasse ich am 8. Dezember 2000 ein
Pressekommuniqué, aus dem hervorgeht, wie diese Entscheide
zustande kamen.
"Vor dem Entschluss, Denis Vadeboncoeur in Evreux aufzunehmen,
habe ich einige bruchstückhafte Informationen über
seine kurze Haftstrafe in Quebec erhalten.
Ich schenkte diesem Priester, der sich ernsthaft um seine Wiedereingliederung
in die Gesellschaft und Rehabilitation bemühen wollte, mein
Vertrauen.
Mit dem Einverständnis seines Oberen und meines bischöflichen
Beraters wurde Denis Vadeboncoeur in meiner Diözese aufgenommen.
Erst später erhielt ich detailliertere Informationen.
Angesichts seines Willens, sich wieder zu integrieren, und da
von Seiten der Pfarreiangehörigen keine Kritik laut wurde,
hielt ich es nicht für nötig, auf meinen Entscheid
zurückzukommen."
In den letzten Jahren wurde die öffentliche Meinung für
das Problem der Pädophilie stark sensibilisiert. Und das
ist gut so. Wir nehmen die schädliche Wirkung zur Kenntnis,
welche pädophile Akte auf die Persönlichkeit der Jugendlichen
haben. Wir müssen auf diesem Gebiet unsere Verantwortung
wahrnehmen. Ich denke heute in dieser Beziehung anders als früher
und würde jetzt anders entscheiden. |
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Vor dem Gefängnis "Prison de la
Santé" in Paris |
143 politische Gefangene, Basken, Bretonen und Korsen, sind
in 28 französischen Gefängnissen verstreut, voneinander
getrennt und weit entfernt von ihren Familien.
Durch diese Situation werden die Verbindungen zu ihrem sozialen
und kulturellen Umfeld abgebrochen und die Gefangenen werden
psychologisch isoliert. Ihre Familien werden durch die große
geographische Entfernung und die Reisekosten bestraft.
Die Beschlüsse der Vereinten Nationen und des Europarats
verlangen die Aufhebung dieser Strafmaßnahmen und wünschen
eine Verbesserung des Kontakts zwischen Häftlingen und Familienangehörigen.
Aber es passiert nichts.
Wir stehen vor der hohen Gefängnismauer, auf der andern
Straßenseite, alle Spruchbänder sind entfaltet. Die
Polizei lässt uns gewähren. In den oberen Stockwerken,
hinter den Gittern, befinden sich die Gefangenen. Ich richte
mich mittels eines Lautsprechers an sie. Wie ein Echo tönt
lautes Rufen zurück. Eine etwas surreale Art der Kommunikation,
aber so sehen die Häftlinge, dass man sie nicht vergessen
hat. |
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Diskussionsabend mit Studenten
Hinweis auf Artikel über "Homosexualität",
Mai 1998
In einer großen Schule unweit von Versailles hat sich
eine Schwulenorganisation gebildet. Es ist sozusagen eine Premiere.
Diese Vereinigung hat zu einer Debatte über das Thema Homosexualität
und Religionen aufgerufen. Welchen Platz haben Homosexuelle in
den religiösen Gemeinschaften?
Der Hörsaal ist bis auf den letzten Platz besetzt. Neben
einem Pastor und den Kopräsidenten von "David und Jonathan"
(homosexuelle christliche Gruppe) ergreife ich das Wort.
Die Zuhörer gehen mit. Was gesagt wird, ist es wirklich
wert, von allen gehört zu werden. Man sucht sich die Homosexualität
nicht einfach aus, man nimmt seine Homosexualität an. Ein
Homosexueller ist nicht verantwortlich für seine sexuelle
Ausrichtung, die sich schon von frühester Jugend an gegen
ihn richtet. Durch die These, die Heterosexualität sei die
einzige Ausdrucksform einer "normalen" Sexualität,
wurde aus der Homosexualität eine neue Häresie, ein
von der Norm abweichendes Verhalten gemacht.
Die Bibel spricht wenig von der Homosexualität, und wenn
sie es tut, verurteilt sie sie mit aller Härte.
Man wirft der Kirche vor, Mitgefühl und Doktrin zugleich
bewahren zu wollen. Man ist ja schon dafür, dass das Mitgefühl
in die Praxis umgesetzt wird, aber die Doktrin muss intakt bleiben.
Auf diese Art weckt man Schuldgefühle.
Die Homosexualität ist und bleibt ein Thema. Wird dem Rechnung
getragen? Warum kann man nicht akzeptieren, dass in der Homosexualität
Glück und gegenseitige Achtung existieren können? Nach
diesem Abend drängt sich eine weitere Diskussionsrunde auf.
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