Brief von Jacques Gaillot vom 1. März 2003

 
In Tunesien bei der Opposition
 

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liberté In Tunesien bei der Opposition 

Ich bin für 4 Tage nach Tunis gereist, zusammen mit Rachid als Vertreter der Vereinigung junger Maghrebiner Frankreichs.
 
Hamma Hammami Am Flughafen von Tunis werde ich von Hamma Hammami empfangen. Seine Frau, die Anwältin ist, hat mir so oft von ihm gesprochen! Ein emotionsgeladener Augenblick. Zum ersten Mal sehe ich den Mann, zu dessen Verteidigung ich nach Tunis gereist war, als er im Gefängnis saß.  
 
Ich erinnere mich an sein Buch: "Le chemin de la dignité" (Der Weg der Würde), in dem sein dreißigjähriger Kampf beschrieben ist, die Gefängnisaufenthalte, die erlittenen Folterungen, sein Leben im Untergrund. Bevor er ins Gefängnis ging, hatte Hamma gesagt: "Nichts macht uns Angst, weder die unfairen Prozesse noch das Gefängnis, auch nicht die Folter und die schlechte Behandlung." Dieser Widerstandskämpfer steht nun vor mir und ich werde bei ihm logieren.

Auch die Begegnung mit dem Richter Mokhtar Yahyaoui bedeutet für mich viel. Er ist der Onkel von Zouhair, den ich verteidigen will und der immer noch im Gefängnis ist. Mokhtar lädt mich zu sich nach Hause zum Essen ein. Dieser mutige Mann hat es gewagt, in einem offenen Brief die Macht anzugreifen und den Druck zu kritisieren, der von ihr ausgeübt wird, die Verhinderung des Rechts. Was zuviel ist, ist zuviel. Außer Richter ist er nun auch Rebell. Und doch hatte früher nichts auf diese spektakuläre Entwicklung hingewiesen. Alle hat er überrascht, denn er war weder Menschenrechtskämpfer noch politischer Aktivist. Aber er folgte seinem Gewissen und sagte, was er dachte und empfand. Die Sanktionen und Drohungen folgten auf dem Fuss. Wer die Wahrheit sagt, bezahlt einen hohen Preis!

Ich sitze bei der Familie von Zouhair am Tisch und höre mir die bewegenden Berichte seiner Eltern und Geschwister an. Sie erhoffen sich seine Freilassung - vielleicht noch vor dem grossen Fest (Aïd), das bevorsteht? Wie soll man feiern können, wenn jemand, den man liebt, im Gefängnis sitzt?

Die Pressekonferenz ist eine gute Gelegenheit, um Zouhair zu unterstützen sowie alle anderen politischen Gefangenen. Die Opposition ist stark vertreten, sogar aus dem Süden des Landes sind Leute angereist.   délivre de la peur
 
Ich spreche vor Menschen, die viel durchgemacht haben, den Freiheitsentzug, das Leben im Untergrund . . . Menschen, die nun frei sind, weil die Angst von ihnen gewichen ist.

Auch Zouhair war in keiner politischen Widerstandsgruppe aktiv. Von sich aus hat er im Internet eine Bresche geschlagen, hat er dem geknebelten tunesischen Volk die Möglichkeit gegeben, sich frei auszudrücken. Er ist zum Hoffnungsträger der Jugend geworden und um ihn herum hat sich ein starkes Netz der Solidarität geknüpft. Das Regime von Ben Ali hat wenigstens den Vorteil, dass einem die Bedeutung der Menschenrechte bewusst wird!

Zouhair Yahyaoui Zouhair ist auch der Hoffnungsträger der bestraften Familien. Die Regierung begnügt sich nicht mit der Isolation der Inhaftierten, sie isoliert und bedroht die Familien; ihr Zusammenhalt ist ihr ein Dorn im Auge.  
 
Aber was hat ein Regime, dessen Macht auf der Angst beruht, für eine Zukunft? Wenn die Leute Angst haben, kann man von ihnen alles verlangen. Aber wenn immer mehr Menschen die Ungerechtigkeit nicht mehr ertragen und zu sprechen beginnen, bleibt die Zukunft offen und es besteht Grund zur Hoffnung.