Logbuch: Mai 2002 

  Papierlose laden sich zum Wahlkampf ein 
  Begegnung Partenia Belgien  Marsch der Papierlosen 
  Sein Blut spenden  Unterstützungsmeeting 
  Geschichte von Partenia und Biographie von Bischof Jacques Gaillot
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Papierlose laden sich zum Wahlkampf ein

Das Museum für Afrikanische Kunst wird in Windeseile von dreihundert papierlosen Ausländern besetzt, zum großen Teil Afrikaner. Die Symbolhaftigkeit dieser Aktion in der alten "Maison des Colonies" könnte schöner nicht sein - von dort stammen sie ja, diese Afrikaner!

prendre la parole 

Transparente werden entfaltet, verschiedene Personen ergreifen das Wort, die Vertreter der Medien entwickeln eine hektische Tätigkeit, und über Handy wird versucht, die Wahlkampfleiter der Rechten und der Linken dazu zu bringen, dass sie eine Delegation empfangen. Die Papierlosen wissen diesen riskanten Einsatz zu schätzen.

Wie gewöhnlich gehen die Polizeifahrzeuge in großer Zahl neben dem Gebäude in Stellung. Dann folgt das seltsame Schauspiel der Polizisten, die mit Helm, Schild und Gummiknüppel ausschwärmen. Ziel dieser Aktion - die Ausweisung!

Wir begeben uns zur Zentrale, von wo aus der Wahlkampf der Rechten organisiert wird; unsere Delegation wird vom Leiter der Kampagne empfangen. Keiner von uns könnte das sagen, was die Papierlosen nun berichten. "Man hindert uns daran zu träumen", sagt eine Marokkanerin, die seit elf Jahren in Frankreich ist. "Ich schäme mich, Ihnen sagen zu müssen, dass ich seit einem Monat dieselben Kleider trage. Ich kann mich nicht umziehen", gesteht ein junger Kabyle, ein Schwarzarbeiter. "Wir sind am Ende. Wir versuchen zu überleben", berichtet der Sprecher eines Aufnahmezentrums für Immigranten. Störende Worte. Worte, an die ich mich nicht gewöhnen kann. Der Direktor macht Notizen, hört aufmerksam zu. Auf einem amtlichen Papier bestätigt er, etwa hundert Akten erhalten zu haben.

Draußen warten die Papierlosen in der Nacht, von Polizisten umringt. Hoffnungsvoll erstatten die Mitglieder der Delegation Bericht und zeigen die magische Karte, die sie vom Direktor erhalten haben.   survivre 

     

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Begegnung Partenia Belgien

Bruxelles  Es macht mich glücklich, nach Brüssel zu kommen, um Freunde zu treffen, die mir lieb und teuer sind. 

Das Netz der Freunde von Partenia ist hier sehr aktiv, besonders durch den regelmäßigen schriftlichen Kontakt mit den Kardinälen und Nuntien von Brüssel und Paris, mit dem Präfekten der Bischofskongregation in Rom sowie mit dem Staatssekretariat. Zudem erhält die Partenia-Vereinigung in Paris von hier aus eine ansehnliche finanzielle Unterstützung.

Seit langem schon wünschten diese belgischen Freunde ein Zusammentreffen mit mir, um sich besser kennen zu lernen, Erfahrungen und Erwartungen auszutauschen, um zu hören, was ich so mache und auch um bei einem kalten Buffet mit belgischem Bier die Geselligkeit zu pflegen! Die Stunden fliegen nur so dahin!
Ich danke Gott für diesen Moment der Freude inmitten glücklicher Menschen, die die Ungerechtigkeit nicht ertragen und die ihr Bestes geben.

   

 

     
   

Marsch der Papierlosen

Es ist ein sonniger Tag. Ich bin nach Lyon gekommen, den Sans-papiers entgegen, die von Marseille aufgebrochen sind. Etwa sechzig sind es. Es ist der Marsch der sich auflehnenden Menschenwürde. Damit alle reguläre Papiere erhalten.

Sans-papiers en manifestation 

Ich freue mich, die Sans-papiers von Lyon wieder zu treffen; sie haben acht harte Monate erlebt. Nach der "Quai Sarrail"-Hölle, wo man ihnen verboten hatte, Zelte aufzustellen zum Schutz gegen das schlechte Wetter, hatten sie in den leeren, feuchten Räumen eines ehemaligen Hotels gehaust. Darauf folgte die Vertreibung - im Dezember, als es schneite - aus einem leeren Bürogebäude, die Einschüchterungsversuche der Polizei, das Schweigen und die feindliche Haltung der Behörden . . . Heute sind ihrer hundert hier, um eine ehemalige Bahnhofhalle zu besetzen. Ein trauriges Leben in diesem verlotterten Gebäude! Die Frauen erinnern mich an die Worte, die sie mir ganz am Anfang ihres Kampfes gesagt haben: "Wir werden nicht nachgeben!" Ihre Entschlossenheit ist stark wie am ersten Tag.

conférence de presse Nach der Pressekonferenz findet beim Gewerkschaftshaus ein großes Meeting statt. 

Wir prangern die Gleichgültigkeit, ja die Verachtung der Politiker gegenüber dem tragischen Schicksal von Familien und ledigen Personen an. Die Papierlosen sind dazu verdammt unterzutauchen, Schwarzarbeit anzunehmen, in menschenunwürdigen Behausungen zu wohnen, den Polizeikontrollen ausgeliefert. Sie überleben. Aber selbst hier bleibt Raum für die Lebensfreude: Musik, Gesänge, Tanz. Die Sans-papiers sind offensichtlich glücklich.
Wenn der Marsch auf Paris kein Resultat zeitigt, werden sie ihre letzte Karte ausspielen, den Hungerstreik.

   

 

     
   

Sein Blut spenden

Viele Leute, vor allem junge, kommen in ein Krankenhaus in der Nähe der Notre-Dame-Kathedrale in Paris, um Blut zu spenden für die palästinensischen Spitäler, die es dringend benötigen. Sie stehen Schlange und jeder, jede trägt sich in die Liste ein.

Marie, eine junge Frau, die mich aufgesucht hatte, fragte mich, ob sie mich dorthin begleiten könnte. Wir machten uns also zu zweit auf den Weg. Ich spürte, wie froh sie war, die Atmosphäre zu entdecken, die bei den Aktivisten der verschiedenen Vereinigungen herrscht, froh, für die Palästinenser etwas Konkretes tun zu dürfen. Sie schrieb sich für die Blutspende ein.

Sein Blut spenden - das ist nicht nur eine humanitäre Hilfe, es ist auch eine politische Geste. Das Schwierigste dabei ist, die politischen Machthaber dazu zu bringen, dass sie die Erlaubnis für den effektiven Transport bis zu den palästinensischen Krankenhäusern geben. Wir bedrängen sie! Trotz allen Versprechungen ist bis heute nichts getan worden.
 

   

 

     
   

Unterstützungsmeeting

banderoles  Ich habe mich zum Parc des Expositions begeben, um einen "kleinen Präsidentschaftskandidaten" zu unterstützen (um den von den Medien verwendeten Ausdruck zu gebrauchen). 

In einer aufgeheizten Atmosphäre haben sich 3000 Aktivisten und Sympathisanten dieses Vertreters der Linken versammelt.

Ich applaudiere, wie ich die Worte eines jungen israelischen Reservisten höre, der den Dienst in der Armee verweigert hat, um nicht die schmutzige Arbeit in den besetzten Gebieten verrichten zu müssen. Er redet auf Hebräisch. Die Anwesenden spenden ihm ebenfalls Beifall für seine mutige Rede.

Während ich noch applaudiere, höre ich die Stimme eines Palästinensers. Sein Volk wird Widerstand leisten, sagt er, und es wird nicht nachlassen, trotz allen Versuchen, sein Volk zu vernichten.

Schließlich tritt der kleine Kandidat auf, für den ich stimmen werde. Aber wie immer stimme ich für Leute, die nie gewählt werden...  carte électorale

Er ist Briefträger. 27 Jahre alt. Ich entdecke einen vor Leben sprühenden Aktivisten, gebildet, engagiert, der kein Blatt vor den Mund nimmt. Ich höre ihm gerne zu. Er vertritt eine Jugend, die dafür kämpft, dass eine andere Welt möglich wird.