Logbuch: Dezember 2005

  Für mehr Freiheit in Tunesien Offene Worte des Abbé Pierre
  Sein Schicksal formen Feier im Krankenhaus
 

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Für mehr Freiheit in Tunesien

Der Weltinformationsgipfel findet in Tunesien statt. Die Wahl dieses Landes durch die UNO kam überraschend. Werden die Tausenden von Teilnehmern an diesem Gipfel merken, dass Tunesien, was die Menschenrechte betrifft, ein riesiges Gefängnis ist? Dass die Presse geknebelt wird, dass Internetsurfer eingesperrt werden?
Wissen die fünf Millionen Touristen, die jedes Jahr Tunesien besuchen, dass das Volk in einem Polizeistaat lebt und dass mehrere hundert politische Gefangene im Gefängnis sitzen?
Meinungsfreiheit gibt es nicht. Die Gewalt, die von Presseleuten erlitten wird, muss nicht mehr bewiesen werden. Kürzlich wurde ein französischer Journalist verprügelt.

Aber dieser Gipfel weckt die Energie der Gegner.

opposants en Tunisie Sieben Personen, führende Köpfe von Organisationen und Parteien, sind in Tunis in den Hungerstreik getreten.  
 
Ich habe mit zwei von ihnen am Telefon sprechen können. Als ich in Tunis war, hatten sie mich bei sich aufgenommen. Sie können den Kampf für die Freiheiten besser führen als andere, denn das Regime fürchtet sich vor freien Menschen.
In Paris lässt die Mobilisierung der Tunesier nicht nach. Ich gehe an jede ihrer Versammlungen. Das jetzt aktuelle Thema lautet: "Fünf Stunden für die Freiheiten in Tunesien".
Musiker, Sänger und vor allem Redner wechseln sich im Saal ab. Und wieder richte ich ein paar Worte an sie. Die Tunesier wissen, dass sie nicht allein sind. Sie können auf eine große Unterstützung zählen.
     
   

Offene Worte des Abbé Pierre

In Brüssel findet eine Fernsehdebatte statt, und zwar geht es um das Buch des Abbé Pierre, das soeben erschienen ist. Ich habe das Büchlein mit Freude gelesen; es ist in einer einfachen, allgemein verständlichen Sprache geschrieben. Der Ton gefällt mir, die Tatsache, dass er kein Blatt vor den Mund nimmt.

Abbé Pierre Mit 93 Jahren wirkt der Gründer des Emmaus-Werkes menschlicher denn je. Während er altert, öffnet er sich den andern, dem Leben, den Problemen seiner Zeit.
Er ist für die Weihe verheirateter Männer, für die Priesterinnenweihe. Er befürwortet die Anerkennung der homosexuellen Paare. Er geht auch auf Fragen der Sexualität und des Zölibats ein. Er gesteht, dass er vorübergehend Beziehungen mit Frauen hatte.
 

Bei diesem Thema wird die Diskussion im Fernsehstudio immer lebhafter. Der Sekretär der Bischofskonferenz hat es nicht leicht. Er tut, was er kann.
Aber ist das Wesentliche dieser Debatte nicht, zu sehen, was wir werden? Wie es George Orwell sagt: "Das Wichtige ist nicht, dass man lebt, noch weniger, dass man Erfolg hat, sondern dass man menschlich bleibt."
Abbé Pierre hat auf Grund seiner Erfahrungen gesprochen. Er fordert uns auf, es ihm gleich zu tun.
Er sagt die Wahrheit: Er leistet uns damit einen Dienst.
Er reißt Tabus nieder: Ein Aufruf zur Freiheit.

   

 

     
   

Sein Schicksal formen

Leila Shahid, welche die palästinensische Behörde in Frankreich vertritt, ist nach Brüssel berufen worden.
Zwölf Jahre hat sie in Paris verbracht und war sehr geschätzt wegen ihrer außergewöhnlichen Eigenschaften. Ihre Sachkenntnisse, ihre Warmherzigkeit und Debattierfähigkeit hatten immer eine große Wirkung.

Und ihre Aufgabe wurde durch die Ereignisse wirklich nicht erleichtert: So viele Attentate und Vergeltungsschläge in den besetzten Gebieten und in Israel! Wie viele Hindernisse stellen sich einer friedlichen Lösung in den Weg! Jedes Mal fand Leila die rechten Worte, um die Sache des palästinensischen Volkes zu vertreten. Bei Arafats Tod trug sie den ganzen Schmerz ihres Volkes auf ihren Schultern, seine ganze Hoffnung in ihrem Herzen. 

territoire occupé

Am Sitz der kommunistischen Partei Frankreichs findet eine Abschiedsfeier statt. Es hat so viele Leute, dass die Organisatoren überfordert sind.

Jacques Gaillot et Leila Shahid Leila ist froh, dass ich auch da bin; ich war so oft an ihrer Seite!
Wie immer redet sie ohne Blatt Papier in der Hand, gewandt und überzeugend.
 

Es gibt einen Ausdruck, den sie immer wieder gebraucht hat: Sein Schicksal "schmieden". Auch in ihrer letzten Ansprache kommt sie darauf zurück; es ist die Botschaft, die sie uns mitgibt, die sie weiterhin in die Wirklichkeit umsetzen wird.
"Jeder und jede muss sein/ihr Schicksal formen. Das ist unsere Sache. Das Schicksal nimmt man nicht auf sich. Man gestaltet es. Das gilt auch für das palästinensische Volk. Das Schicksal eines Volkes kann nicht aufgehalten werden."

   

 

     
   

Feier im Krankenhaus

Mitten in einem Pariser Krankenhaus steht die große St-Louis-Kirche. Wenn ich Krankenbesuche mache, betrete ich sie manchmal. Sie kommt mir leer vor, trostlos, ohne Leben.

reliques Jetzt aber tritt ein bedeutendes Ereignis ein: Die Ankunft der Reliquien der heiligen Theresia von Lisieux. Mit ihnen kommt das Leben zurück. Die Kirche wird belebt, nimmt Farben an, Menschen kommen in Scharen. 

Die Versammelten singen, beten, sammeln sich. Sie drücken ihre Freude aus. Wie ist diese Kirche auf einmal schön geworden! Die Kinder staunen über das von Kerzen und Blumen eingerahmte Reliquiar. Kranke sind da, Pfleger und Krankenschwestern in weißen Blusen, Behinderte.
Die Leute kommen hierher, um zur heiligen Theresia vom Kinde Jesu zu beten, die gesagt hat, sie werde ihren Himmel damit verbringen, auf der Erde Gutes zu tun.
Ich trete näher, um die Heiligenfahnen zu bewundern, die die Kirchenmauern zieren.
Berühmte Aussprüche der heiligen Theresia von Lisieux werden vorgelesen:
"Nein, ich sterbe nicht, ich trete ins Leben ein."
"Im Herzen der Kirche, meiner Mutter, werde ich die Liebe sein."
"Ich habe keine großen Wünsche mehr, außer dem Wunsch zu lieben,
zu lieben, bis ich sterbe vor Liebe."

In der Nähe der kleinen Thérèse geschieht immer etwas. Ist Liebe da, kommt man sehr weit. 

Thérèse de Lisieux