|
|
In Rom
|
In der Weihnachtszeit wurde ich durch
eine brüderliche Einladung des Präfekten für die
Kongregation der Bischöfe überrascht. «Wenn Sie
es wünschen», präzisierte er. |
Ich hatte seit neun Jahren keine Würdenträger vom Vatikan
mehr getroffen. Der Kardinal empfing mich und sprach etwa drei
Viertelstunden mit mir; die Atmosphäre war herzlich. Diese
Kontaktaufnahme war das Einzige, was man erwarten konnte. Es
war unsere erste Begegnung überhaupt.
Er hatte mein Buch «Carnets de route» (deutscher
Titel: Machtlos, aber frei) erhalten und einer seiner Mitarbeiter,
der es gelesen hatte, hatte ihm gesagt: «Dieses Buch enthält
einige außergewöhnliche Gedankenanstöße!».
Der Kardinal zeigte sich überrascht, dass ich als Bischof
von Partenia einen glücklichen Eindruck machte. Was ihn
beschäftigte, war vor allem meine Beziehung zu den Bischöfen.
Kardinal Etchegaray sowie der französische
Botschafter im Vatikan waren sehr erfreut über das Zustandekommen
dieser Begegnung. |
|
Sicher ein notwendiger Schritt. Ein Beweis dafür, dass gemeinschaftliche
Bande bestehen.
|
|
|
Fest des hl. Vinzenz, Patron
der Winzer
Für die Weinbauern in der Gegend von Reims ist das
Fest am 22. Januar etwas sehr Wichtiges. Die Bevölkerung
hängt an dieser Tradition. Und heuer fiel das Fest auf einen
sonnigen Samstag.
Ich sollte der Feier vorstehen und nahm zunächst am
Frühstück der Winzer teil. Zu essen und zu trinken
gab es mehr als genug, und ich staunte über die Fähigkeit
dieser Männer, schon morgens Champagner und Rotwein zu trinken.
Mach dem traditionellen Umzug - die Winzer tragen ihre Tracht
- drängt die Menge in die große Kirche. Im Chor befindet
sich die Gruft eines berühmten Mannes: Dom Pérignon,
der Begründer dieser Weintradition. Es ist eine freudige
und sinnerfüllte Feier.
Dann begibt sich die Bevölkerung ins wunderschöne
Kelterhaus im Garten der Abtei. Überall stoße ich
auf Menschen, die sich freuen, mit mir reden zu können und
den Fotoapparat zu zücken.
Dann setzen wir uns zu Tisch. Es herrscht ein Stimmengewirr und
die Stimmung könnte nicht besser sein. Ein Wunder zu Kanaa
wäre hier bestimmt nicht nötig! |
|
|
In Toulouse
Als ich mich in Toulouse aufhielt, ließ mir die Obdachlosenvereinigung
mitteilen, ich solle sie aufsuchen. Sie hatten sich in einem
Zelt in der Nähe des Totendenkmals im Stadtzentrum eingerichtet.
Etwa zehn Personen erwarten mich dort; es schneit und es weht
ein eiskalter Wind. Eine gute Stunde höre ich ihnen zu.
Es wurde ihnen verunmöglicht, unter der Brücke der
Garonnette für die Nacht Zuflucht zu suchen. Die Gemeinde
hat dort Metallpfosten montieren lassen, die sie daran hindern,
sich hinzulegen. Man hat ihnen die Brücke weggenommen.
Ihr Wortführer zeigt auf eine Bushaltestelle in der Nähe:
«Statt drei Plätzen sind dort nur mehr zwei, man kann
sich dort nicht mehr hinlegen. Man spürt, dass sie uns vom
Stadtzentrum vertreiben wollen.".
|
Vor kurzem fand hier in Toulouse die pompöse Einweihung
des größten Flugzeugs der Welt statt, des Airbus A
380. Aber um gegen das Elend anzukämpfen, fehlen die Mittel.
Es ist sicher keine Imagepflege für die Stadt, wenn die
Obdachlosen aus dem Stadtzentrum vertrieben werden. |
|
|
Neue Kleider für Partenia
10 Jahre, das muss gefeiert werden.
Das Gewerkschaftshaus in Paris ist bald voll: Aus ganz
Frankreich sind die Leute gekommen, aus Belgien, Luxemburg, Deutschland,
aus der Schweiz, aus Italien, die Sans-papiers sind auch vertreten,
Basken, Iraner...
Gläubig oder nicht, man freut sich und feiert gemeinsam.
Die Grenzen sind nicht mehr klar erkennbar. Wir erkennen rückblickend,
wie uns die Ereignisse im Januar 1995 aufgerüttelt haben
und zu zukunftsträchtigen Engagements Anlass gegeben haben.
Schon zehn Jahre! Es ist vor
allem das Fest des Volkes von Partenia. Es berührt mich,
mitten unter diesen Menschen zu sein, deren Gesichter ich wiedererkenne.
Ich denke an den Titel meines ersten Buches: «Ils m'ont
donné tant de bonheur» («... sie haben mich
so glücklich gemacht»).
Plötzlich betritt jemand den Saal, der von seinen
Eltern gestützt wird. Er hat die Erlaubnis bekommen, kurz
das Krankenhaus zu verlassen, denn dieses Partenia-Treffen wollte
er unbedingt miterleben. Seit Wochen sind seine Augen geschlossen
und seine Worte werden je länger, desto undeutlicher. Und
nun scheint ihn plötzlich eine unglaubliche Energie zu beseelen,
er kann sich aufrecht halten und in absoluter Stille ganz deutliche
Worte sprechen. Eine Botschaft der Hoffnung. Eine Botschaft,
die einen auf die Zukunft hin öffnet. -
Jedesmal wenn ich ihn im Krankenhaus besuche, spricht er von
diesem großen Moment am Partenia-Tag.
Diese Zusammenkunft am 15. Januar war für alle ein
ganz besonderes, prägendes Ereignis. |