Drei Fragen an Jacques Gaillot
 
König Abdullah hat in Madrid eine Konferenz einberufen, an der Vertreter der drei monotheistischen Religionen aus der ganzen Welt teilnahmen. Eine Premiere…?  
   
Ja. Diese Initiative des saudiarabischen Monarchen ist etwas Außergewöhnliches. Eine herrliche Überraschung. In Saudiarabien wird die rigoroseste Form des Islams praktiziert. Da befinden sich auch die berühmtesten Stätten des Islams: Mekka und Medina. Nur moslemische Gotteshäuser sind erlaubt.  
   
dialogue interreligieux Und nun sehen wir, dass dieser alte, als sehr konservativ geltende König zum wiederholten Mal mutige Zeichen der Öffnung setzt. Er zeigt ein Interesse für andere Religionen, lädt zum Dialog ein, fordert Toleranz. Er ist der erste saudische Herrscher, der in Rom mit dem Papst zusammengetroffen ist. Er versetzt mich immer wieder in Erstaunen!
 
   
Über der anglikanischen Kirche schwebt das Damoklesschwert der Spaltung. Die Ordination für Homosexuelle und Frauen teilt die Gläubigen in zwei Lager. Die dissidenten Bischöfe sind zum größten Teil aus dem Süden. Wird hier ein Nord-Süd-Gefälle sichtbar?  
   
Viele dissidente Bischöfe sind tatsächlich aus dem Süden, vor allem aus Nigeria, und gewisse Leute sprechen vom Ende der «Kolonialzeit». Dissidente gibt es aber auch im Norden.
Eglise anglicane
 
   
Hier geht es um die Auslegung der Heiligen Schrift. Es wird gesagt, dass man sich in eine Position der Schwäche gegenüber dem Islam versetzt, wenn man die Bibel den westlichen Sitten anpasst. Eine Religion, die sich dem Zeitgeist angleicht und je nach Epoche ihre Ansichten ändert, ist nicht mehr in der Lage, gegen den Islam zu kämpfen. Man muss «dem Koran mit der Bibel antworten können».
Ich teile diese Auffassung nicht. Unsere moderne Welt verlangt nach Neuinterpretierungen der Bibel.
Es ist eine Wahrheitssuche, die in diesem Sinn immer weiter geht. Aussagen, die geprägt sind durch die Epoche und die Kultur, in der sie gemacht wurden, müssen relativiert werden. Es sollten daraus nicht Dogmen entstehen, sozusagen neue Galilei-Affären. Auf diese Art leisten wir dem Islam einen Dienst.
 
   
In Australien sind vor kurzem die Weltjugendtage zu Ende gegangen. Es ist immer eine Massenveranstaltung, unzählige Jugendliche versammeln sich in festlicher Atmosphäre um den Papst. Befürchten sie nicht, dass dieser Enthusiasmus bald einmal ein Ende haben wird?  
   
journées mondiales Die Teilnehmer an den Weltjugendtagen sind begeistert. Es ist eine Art Meilenstein in ihrem Leben. Aber die Reise kostet viel Geld, es ist nicht immer leicht, ein Visum zu bekommen. Für die jungen Leute aus dem Süden sind die Chancen klein, dort mitmachen zu können.
 
   
Sollte man nicht regionale Treffen ins Auge fassen, die einfacher und trotzdem zukunftsträchtig sein könnten?
Wir leben in einer Zeit, die uns die Aufgabe stellt und die Chance gibt, innovativ zu sein.