Brief von Jacques Gaillot vom 1. August 1999 | ||
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Die Sonne trifft sich mit dem Mond Die Sonnenfinsternis vom 11. August löst Begeisterung aus, ruft die verrücktesten Träume hervor, weckt aber auch unkontrollierte Ängste. In Paris werden Katastrophen vorausgesagt, und man bestürmt mich, an diesem Tag aus der Hauptstadt zu flüchten! Diese totale Sonnenfinsternis, die erst wieder 2081 eintreten wird, betrifft unsere Milchstraße. Aber es gibt Milliarden von Galaxien, die Milliarden von Lichtjahren von uns entfernt verstreut sind. Unsere Sonne, die ein Stern unter Milliarden von anderen Sternen ist, sendet uns in bloß acht Minuten sein Licht. Auf Grund der Fortschritte der Wissenschaft sehen wir das Universum mit anderen Augen, und auch das Bild des Menschen ist dadurch verändert worden. Wir sind nicht mehr im Mittelpunkt der Welt. Unsere dominierende Position ist illusorisch geworden, wir wurden vom Sockel gestürzt. Bescheiden lernen wir, in der ungeheuren Evolution des Kosmos unseren Platz einzunehmen. Der Mensch blickt auf eine sehr lange Geschichte zurück. Er ist mit dem gesamten Universum verbunden. Alles hängt zusammen. Der Mensch ist ein Fragment des Ganzen. Er nimmt seine Abhängigkeit von allen Lebewesen wahr. Er ist dazu aufgerufen, in aller Schlichtheit und Harmonie seinen Platz einzunehmen gegenüber den Sternen, der Pflanzen- und der Tierwelt. Er ist ein Erdenbewohner. Ein Sohn des Kosmos. Die letzte Sonnenfinsternis des Jahrhunderts ist ein Anlaß, den Sonnengesang, auch Gesang der Kreaturen genannt, zu betrachten, den der heilige Franz von Assisi an seinem Lebensabend verfaßte. Der Poverello, der Arme von Assisi, besaß nicht die Kenntnisse über das All, wie wir sie heute haben. Aber er verstand es, seinen Platz innerhalb der Schöpfung, wo alles miteinander verbunden ist, wahrzunehmen. Er hat sich nicht über die Geschöpfe gestellt. Mit dem Herzen eines Armen stellte er sich auf die gleiche Stufe, da er begriff, daß sich die menschliche Geschwisterlichkeit auf die kosmische Verbundenheit ausdehnte. Er integrierte den Menschen wieder im Kosmos. So wurde er zum universellen Bruder.
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Die brutale Absetzung von Jacques Gaillot als Bischof von Evreux im Januar 1995 hatte die etwas surreale Ernennung zum Oberhirten von Partenia zur Folge, einem Bistum in Algerien, das seit Jahrhunderten nicht mehr existiert. So wurde er auch eine Art virtueller Bischof, dessen potentielle Diözesen über den ganzen Planeten zerstreut sind... Ein Jahr später beschloß er, die Institution beim Wort zu nehmen, und schuf eine Webseite, um mit Gesprächspartnern auf der ganzen Welt kommunizieren zu können. Der Erfolg trat augenblicklich ein: Tausende von Internetbenützern von ganz Frankreich, von Kanada, Australien und Dutzenden von andern Ländern, Laien und Kirchenleute, Christen und Nichtchristen, Sympathisanten und Gegner diskutierten bald über die verschiedensten Themen. Dieses Buch berichtet über den außergewöhnlichen Treffpunkt der Partenia-Homepage, Abbild einer Kirche von morgen, für welche die aus dem Mittelalter stammende geographische Zerstückelung der Diözesen keinen großen Sinn mehr machen wird. Jacques Gaillot übermittelt uns - von Philippe Huet und Elizabeth Coquart gesammelte - Botschaften, die den Ausschluß den Rassismus, die Todesstrafe und viele andere heikle Themen als Ausgangspunkt haben. Der Traum einer Kirche, die mit der sich verändernden Welt Schritt zu halten versucht, die Erinnerung an die Revolten und Hoffnungen einer ganzen Generation: Diese Sammlung von Zeugnissen, die dem Bischof anvertraut worden sind, begründet eine vollkommen neue Art der Seelsorge. | |||
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