Brief von Jacques Gaillot
vom 1. September 1998


 

 

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Euthanasie

 

Ich mag dieses Wort nicht, auch nicht die Unterscheidung "passive / aktive Euthanasie", nicht einmal den Ausdruck "Palliativpflege". Doch die Realität existiert. Wie soll man mit dem Lebensende umgehen, wie kann man in Würde sterben? Nach der Inhaftierung einer Krankenschwester, die etwa dreissig Kranken Sterbehilfe geleistet hat, flammt die öffentliche Diskussion darüber wieder auf.

Eine betagte Frau, die ich im Krankenhaus besuchte, sagte mir: "Ich habe keine Angst vor dem Tod, ich sehne ihn herbei. Aber was ich nicht akzeptiere, ist das Leiden. Ich hätte nicht gedacht, daß man so viel leiden kann."

Wie kommt es, daß es heute nicht möglich ist, in einem großen Krankenhaus die Schmerzen der Patienten zu lindern? Ist es vielleicht deswegen, weil allmächtige Ärzte, die zum Heilen ausgebildet wurden, die Vorbereitung auf den Tod nicht akzeptieren? Die Pflege geht bis zum Äußersten weiter, ohne daß das Lebensende in Betracht gezogen wird.

Ich besuche im Spital einen schwerkranken jungen Mann: "Das Pflegepersonal ist sehr nett und kompetent", sagt er zu mir, "aber es geht schnell wieder weiter, und wir sprechen nur über die Pflege. Ich würde mit ihnen gern über andere Dinge reden, aber ich spüre, daß dies nicht möglich ist. Vor kurzem fühlte ich mich so furchtbar einsam, daß ich wünschte, die Krankenschwester würde kommen und mir einfach die Hand auf die Stirne legen."

Einsamkeit der Patienten. Fehlendes Gespräch. Und dabei sind die Kranken doch mit den existentiellen Fragen des Lebens und des Todes konfrontiert.

Im Krankenhaus ist der Tod zu einem rein medizinischen Problem geworden. Die Kranken werden davon irgendwie ferngehalten. Das Recht auf ein Sterben in Würde - bedeutet das nicht, jeden und jede am Ende seines Lebens ernst zu nehmen, indem man sich des Leidens annimmt, indem man die Kranken Tag für Tag begleitet, damit die Einsamkeit nicht mehr so groß ist, indem man ihnen hilft, dem so wichtigen Ereignis des Todes ins Auge zu schauen, damit sie es in Würde annehmen können?

Medikamente geben, die den Tod herbeiführen, so wird meiner Ansicht nach die Würde der Kranken nicht respektiert. Alles tun, damit sie nicht leiden, und sie bis zum Ende begleiten, ist nicht das die Hilfe zu einem Sterben in Würde?








Jacques Gaillot








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