Brief von Jacques Gaillot vom 1. März 2000

Glaubwürdig sein

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Glaubwürdig sein

Die Regierungsbeteiligung der extremen Rechten in Österreich hat Erstaunen und Beunruhigung ausgelöst. Die Europäische Union fühlt sich herausgefordert und sieht ihre demokratischen Werte in Gefahr. Sie hat sogleich politische Sanktionen ergriffen gegen Österreich. Die Vereinigten Staaten ebenso. Diese Interventionen sind legitim. Wie sollte man eine Partei nicht fürchten, deren Chef sich auf die Nazis beruft?

Aber die EU hat bis jetzt nichts gesagt oder getan für das tschetschenische Volk, das von der russischen Armee niedergemetzelt wird. Die Hauptstadt Grosny ist von der Landkarte verschwunden. Tausende von Tschetschenen werden von den Russen in Lagern festgehalten. Frauen, Greise und Kinder leben dort unter schwierigsten Bedingungen. Hunderttausende sind aus dem Land geflohen. Die humanitären Organisationen haben nicht das Recht, helfend einzugreifen. Die Europäische Union, die Österreich anprangert, bleibt passiv, was Tschetschenien betrifft. Wieso diese ungleiche Behandlung?

Vor nicht allzu langer Zeit griffen die EU und die USA mit der NATO als Schutzschild in Kosovo ein und gingen gegen die Serben vor. Alle waren sich einig, dass es ein Recht auf Einmischung gibt. Aus humanitären Gründen war eine sofortige militärische Intervention gerechtfertigt. Aber dieses Recht auf Einmischung nahmen sich bis jetzt immer nur die Reichen und Mächtigen heraus; sie intervenieren bei den Schwachen und Armen.

Gleichzeitig verschlossen die EU und die USA die Augen vor den am kongolesischen Volk verübten Massakern. Die afrikanische Tragödie blendete man aus. Warum interveniert man hier und tut dort nichts? Sind die Menschenrechte beliebig anwendbar?

Der Golfkrieg ist uns noch in Erinnerung. Der Westen hatte einen großen Kreuzzug gegen den Irak inszeniert, um die Angreifer aus Kuwait zu vertreiben. Das internationale Recht war missachtet worden, man musste die UNO-Resolutionen anwenden. Ein starkes Volk hatte ein schwaches Land annektiert.

Aber auch in diesem Zusammenhang muss man festhalten, dass unsere auf internationales Recht pochenden Staaten nichts unternahmen, um die UNO-Resolutionen zu Gunsten der Palästinenser im Exil durchzusetzen. Sie bemühten sich nicht um die Lösung des Palästinenserproblems.

Wieso diese Ungleichheit? Es ist ganz einfach: Die Interessen sind nicht dieselben. Es geht nur vordergründig um das Recht, im Grunde stehen finanzielle und (handels-) politische Interessen auf dem Spiel.

Da sie mit zweierlei Maß messen, sind die Regierenden in den Augen der Öffentlichkeit nicht mehr glaubwürdig. Ihre Reden, in denen die Menschenrechte beschworen werden, tönen hohl. Glaubwürdig sein, das bedeutet, dass man in jeder Situation wahrhaftig ist, das sagt, was man tun will, und das tut, was man gesagt hat.

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