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jeden Monat zwei Texte vor.
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jede Anregung dankbar. Wir möchten, dass dieser Katechismus
ein Gemeinschaftswerk ist.
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Glaube und Moral
Die Religionen, deren Ziel es ist, zwischen dem jenseitigen Gott
und der Menschheit eine Brücke zu schlagen, stellen für
ihre Anhänger immer auch einen Lebenskodex auf. Denn wenn
es zwischen unserer Welt und dem Himmel eine Verbindung gibt,
bekommt unsere menschliche Existenz einen anderen Sinn, eine
neue Bedeutung, die notwendigerweise unseren irdischen Lebensweg
beeinflussen. |
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Allerdings besteht die Gefahr, dass die Religionen sich
dabei in Verwalter moralischer Gesetze verwandeln und den Bezug
zum "Göttlichen" dazu missbrauchen, den Regeln,
die aufstellen, eine größere, ja absolute Autorität
zu verleihen. Im Namen einer so genannten göttlichen, zeitlosen
Ordnung erfährt alles, was unbeweglich bleibt, eine Rechtfertigung.
Die Gefahr ist groß, dass man so dem Suchen und den Klärungen
ausweicht, die durch das Erlebte eigentlich immer wieder neu
notwendig wären.
Statt im Dienste einer normativen Moral zu stehen, die unaufhörlich
Verhaltensregeln aufstellt und präzisiert, sollte die Religion
vor allem den Horizont der menschlichen Existenz erweitern, die
Weite unseres Lebens aufzeigen, den Sinn der Öffnung auf
das Ewige hin.
Durch sie staunen wir darüber, dass Gott uns liebt, und
dieses Staunen verweist uns umso mehr auf unsere schöpferische
Verantwortung.
Jesus hat nicht genaue Verhaltensregeln gebracht. Er hat jeden
und jede zum Wagnis, Verantwortung zu übernehmen, ermuntert
("Warum urteilt ihr nicht selbst?"). Er half dem Lahmen,
dem Blinden, dem Gelähmten, die Augen aufzumachen und aufzustehen:
"Geh hin, dein Glaube hat dir geholfen!" Unaufhörlich
kämpfte er gegen die Zwänge der Gesetze. Seine Gute
Nachricht ist eine Botschaft der Befreiung und der Liebe, die
ihre wahre Bedeutung im Gewahrwerden einer bedingungslosen Gegenwart
und Liebe erhält. Mitten auf dem schwierigen Weg des Menschen
ist Gott, er, der uns zuerst geliebt hat.
Dass der religiöse Glaube den Menschen dazu bringt, sein
Leben zu ändern, ist unbestritten. Aber diese Verhaltensänderung
sollte nicht gleichbedeutend sein mit einer immer rigoroser werdenden
Reglementierung unseres Handelns. Der Gott Jesu Christi ist ein
Gott der Befreiung und der Liebe, der an den Menschen glaubt,
an seine Fähigkeit, verantwortlich zu handeln, an seine
Freiheit.
Wenn die Religionen dieses Staunen darüber, dass "Gott
mit uns ist", zu wenig weitergeben, haben sie die Tendenz,
sich auf eine moralisierende Rolle zu beschränken. Statt
befreiend zu wirken, sind sie einengend, da die Weite fehlt,
die Hoffnung. Die moralischen Instanzen konzentrieren sich darauf,
Vorschriften zu machen für jede Lebenssituation, und so
verfehlen sie ihr wesentliches Ziel, das darin besteht, jedem
zur Würde seiner Person zu verhelfen.
Die vordringlichste Aufgabe einer echten Moral ist übrigens
nicht die Reglementierung des menschlichen Handelns. Dies ist
mehr Sache des Rechts, der Justiz. Die moralische Erziehung soll
nicht so sehr darauf abzielen, einen Verhaltenskodex aufzustellen,
als vielmehr das Gewissen zu wecken, das heißt die Fähigkeit,
selber zu urteilen, persönliche Taten zu vollbringen, zur
verantwortungsvollen und solidarischen Freiheit zu gelangen.
Nicht so sehr das, was man tun muss, gilt es herauszufinden,
sondern vielmehr die Art, wie man handeln muss, damit unsere
Taten nicht Gesten von Herdentieren sind, sondern echt menschliche
Handlungen. Umso mehr, als es ja um eine religiös inspirierte
Moral geht: Gott, der Gott Jesu Christi, ruft freie Wesen auf,
ihm zu begegnen, Menschen, die zu einer persönlichen Hingabe
fähig sind. "Wenn man erfahren hat, wie es ist,
von freien Menschen geliebt zu werden - sagt Gott -, sagt einem
die Unterwürfigkeit der Sklaven nichts mehr" (Charles
Péguy)! |