Der elektronische Katechismus: Mai 2000

Auffahrt: von der Trauer zur Aussendung

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Das Team, das an diesem Katechismus arbeitet, legt Ihnen jeden Monat zwei Texte vor.
Damit wir diese verbessern können, sind wir für jede Anregung dankbar. Wir möchten, daß dieser Katechismus ein Gemeinschaftswerk ist.
Zögern Sie nicht, uns andere Themen vorzuschlagen.


Auffahrt: von der Trauer zur Aussendung

Die Evangelien und die Apostelgeschichte sagen uns, dass Jesus, nachdem er sich den Seinen mehrmals gezeigt hatte, in den Himmel erhoben wurde. "Während er sie segnete, entfernte er sich von ihnen und wurde in den Himmel emporgehoben", schreibt der Evangelist Lukas (24,54). In der Apostelgeschichte wird das Geschehen noch genauer ausgedrückt: "... er erhobt sich vor ihren Augen, und eine Wolke entzog ihn ihren Blicken. Als sie noch zum Himmel schauten, wo Jesus verschwand, kamen zwei Boten... und sagten ihnen: ‚Ihr Leute von Galiläa, was steht ihr da und schaut zum Himmel?' (Apg 1,9-11)."

Das Fest der Himmelfahrt betrifft zwar Jesus, aber es sagt uns vor allem viel über seine Apostel und Jünger. Nachdem die Jünger gewahr wurden, dass der Tod am Kreuz Jesus nicht vernichtet hatte, mussten sie akzeptieren, dass er nicht mehr so wie früher bei ihnen war. Sie mussten sich damit abfinden, dass sie seine Gegenwart nicht mehr so erfuhren wie früher, als sie jahrelang die privilegierten Zeugen seiner Botschaft des Lebens gewesen waren. Eine Rückkehr in die Vergangenheit konnten sie nicht erhoffen, im Gegenteil, es ging nun darum, dass sie selbst sich aufmachten, um die Gute Nachricht zu verkünden. - Sie sollen aufhören, in den Himmel hinauf zu schauen, jetzt ruft sie die Erde, die Welt.

Die Zeichen fallen nicht vom Himmel, sie sind hier, in unserer Reichweite, sie sind immerzu in der Welt zu finden, in der wir uns befinden. Es geht nun darum, überall die Botschaft der geschwisterlichen Hilfe und der Solidarität Wurzeln fassen zu lassen, die Botschaft, in dessen Kern sich Nächstenliebe und Gottesliebe begegnen und eins werden. An der Liebe, die sie zueinander haben, wird man erkennen, dass sie meine Jünger sind, hat Jesus gesagt, er, der sich vor allem den Ärmsten zugewandt hat. Aber wie soll man vorwärts gehen können, wie kann man auf stets neue Aufrufe antworten, wie kann das Abenteuer des Lebens bewältigt werden, wenn man bei dem bleibt, was war?

Als Jesus nicht mehr physisch unter ihnen war, begannen die allein zurückgelassenen Männer und Frauen an die Kraft der Botschaft zu glauben, die sie in ihren Herzen trugen. Am Pfingstfest ist es noch eine ängstliche kleine Gruppe, die zusammenkommt, um sich zu schützen. Aber unter dem Impuls des Geistes richten sie sich auf, wagen es, die Fackel zu übernehmen und beginnen, allen Nationen die Botschaft des Lebens und der Liebe zu verkünden.

Himmelfahrt und Pfingsten sind eng miteinander verbunden. Der Sicherheit spendenden Gegenwart Jesu sind sie beraubt, und sie haben in dieser Beziehung Trauerarbeit geleistet; durch seinen Geist gestärkt können sie sich nun zerstreuen, um alle Menschen mit der Frohen Botschaft dessen bekannt zu machen, den sie auf den Wegen Palästinas begleitet haben.

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Babel und Pfingsten

Die Episode um den Turmbau zu Babel (Gen 10) wird meistens als Strafe Gottes für einen überheblichen Plan der Menschen aufgefasst: mit dem Bau eines Turms den Himmel zu erreichen. Um diesem unsinnigen Wunsch ein Ende zu bereiten, zerstreut Gott seine Urheber und verwirrt ihre Sprachen. Eine aufmerksamere Lektüre des Textes zeigt andere Aspekte auf. Die Zerstreuung auf der ganzen Erde ist in der Bibel nicht eine Strafe Gottes, sondern oft das Ergebnis seiner Segnung. Das ist der Fall für Noahs Söhne, die nach der Sintflut und nach dem Bund, den Gott mit ihnen schließt, sich zerstreuen und die Erde neu bevölkern. In Noahs Söhnen sah man die Begründer der verschiedenen Rassen, gemäß dem Ort, an dem sie sich niederließen, und gemäß ihren Sprachen.

Die Bewohner der Stadt aus dem Babel-Bericht fürchten aber die Zerstreuung. Sie flüchten sich in ein Konzept der Einheit, das nichts anderes ist als das Festhalten an einem starren Identitätsprinzip. Das ist der tiefere Sinn des Wunsches nach einer einzigen Stadt, einem einzigen Turm, einer einzigen Sprache, nach denselben Wörtern, um sich auszudrücken. In einem solchen Konzept gibt es keinen Platz mehr für den Dialog, die Aufnahme, die Suche. Es ist das Unvermögen, sich dem Anderen zu öffnen, dem Andersartigen, dem Fremden und seiner Wahrheit. Es gibt nur eine Wahrheit, und sie wird allen durch die Kraft von Gott selber bewusst, den die Turmerbauer durch den in den Himmel ragenden Turm vereinnahmen wollten.

Ist die Zerstreuung, die Verschiedenheit der Sprachen nun angesichts dieser Gefahr eine Strafe oder eine Möglichkeit, sich gegen Uniformität und Machtgelüste zur Wehr zu setzen? Sie sagen uns, dass Gott die Rivalität des Menschen nicht fürchtet; er wurde geschaffen, um ihm ähnlich zu werden. Er fürchtet die Abschottung, den starren Identitätswahn, die einzige Sprache, die zur Phrasendrescherei wird. Er fürchtet den Ausschluss des Andersartigen, die Verfolgung derer, die durch ihr Aussehen, ihre Sprache oder Meinung nicht der Norm entsprechen. Gott greift ein, um die Verschiedenartigkeit wiederherzustellen und den Totalitarismus der "einzig wahren" Denkweise zu zerbrechen. Als die Bewohner von Babel aufhörten, an der Stadt zu bauen, konnten sie, sich auf der ganzen Erde ausbreitend, viele Städte bauen.

Dieselbe Öffnung und dieselbe Sendung entdecken wir am Pfingstfest (Apg 2,5-12). Manchmal werden Pfingsten und der Turmbau zu Babel als Gegensätze gesehen. Es handelt sich aber um dieselbe Öffnung auf die Verschiedenheit hin. Der Saal, wo die Jünger Jesu eingeschlossen waren, öffnet sich, sie treten heraus und beginnen zu sprechen. "Als sie dieses gewaltige Rauschen, wie von einem Sturmwind, hörten, sammelte sich die Menge und war überwä0ltigt, denn jeder hörte sie in seiner eigenen Sprache reden." Es ist der Triumph der Verschiedenheit, es geht nicht darum, dass man eine einzige Sprache hört, sondern dass man die andern Sprachen versteht. Man öffnet sich dem andern, so dass man ihn versteht und er uns versteht, so dass man seine Wahrheit vernimmt und ausgehend von dieser Wahrheit, die von meiner Wahrheit abweicht, eine neue Wahrheit schaffen kann, reicher und realitätsnaher. Dieser Schwung bewirkt, dass die Apostel tatsächlich zu dem aufbrechen, was für sie "die Grenzen der Erde" war: Rom, Griechenland, die Inseln im Mittelmeer ... um Jesu gute Nachricht zu verkünden.

Die Öffnung, die der Geist im Herzen der Gläubigen bewirkt, hindert diese daran, sich auf eine einzige Idee zu versteifen, einen einzigen Gottesbegriff, ein einziges Bild vom anderen und von sich selbst. Derselbe Schwung macht sich in den Institutionen bemerkbar, die manchmal die Neigung haben, für sich selber zu existieren. Und in unseren so starr scheinenden Kirchen spürt man eine unterirdische Bewegung, die eines Tages in einem neuen Pfingsten aufbrechen wird. Sobald eine Gesellschaft, eine Organisation oder eine Kirche sich auf eine einzige Sprache versteift und die Gedankenvielfalt bekämpft, wird ihre Identität zerbrechlich und sie steuert längerfristig dem Abgrund zu, denn jedes System, das auf den lebensnotwendigen Austausch verzichtet, stirbt. Die lebendige Gegenwart des Geistes, die Jesus seiner Kirche versprochen hat, sollte sie davor bewahren und bewirken, dass sie sich furchtlos öffnet - auf die verschiedenen Kulturen hin, den interreligiösen Dialog, diversifizierte theologische Studien und neue Arten des menschlichen Zusammenlebens.

PARTENIA

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