Logbuch: August 2005

  Im Gefängnis von Caen Kampf der Familien
  Missionsfest Eltern von Schülern
 

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Im Gefängnis von Caen

Ich nehme den Zug nach Caen, zusammen mit Raouf Oufkir, dem Sohn des Generals Oufkir, der versuchte hatte, den marokkanischen König Hassan II. zu stürzen.
 
Raouf Oufkir
In seinem Buch schildert er die langen Jahre hinter Gitter und den außergewöhnlichen Ausbruch aus dem Gefängnis. Ein Buch, das viele Gefangene aufgewühlt hat. Sie haben den Wunsch geäußert, durch die Vermittlung des Gefangenenseelsorgers mit Raouf zusammenzukommen.

 

 
Ich war schon früher in diese Strafanstalt gekommen, wo sehr lange Haftstrafen verbüsst werden. Und jedes Mal stelle ich mir die Frage: Wie kann ein Mensch 10, 20 Jahre ohne Freiheit leben?
Etwa zwanzig Häftlinge haben sich im Gottesdienstraum versammelt und zwei von ihnen lesen uns mit emotionsgeladener Stimme den Text vor, den sie mit viel Herzblut zu unserem Empfang vorbereitet haben.
Bald kommt das Thema Verzeihen zur Sprache. Was heißt das - Verzeihen? Es bedeutet nicht Vergessen, und das erlittene Unrecht wird nicht ausgelöscht: Diese Antwort ist nicht ausreichend. Raouf versteht es, jeden mit sich selbst zu konfrontieren: "Du gestehst deine Schuld ein, kannst du auch einen Schritt auf das Opfer zu machen?"
Mourad, ein junger Marokkaner, ist kategorisch: "Vergebung, das gibt es gar nicht". - "Doch", antwortet Raouf. "Ich bin der lebende Beweis seiner Existenz. Denn ich habe meinen Henkern vergeben."

"Ich", sagt ein anderer, "habe lange gebraucht, bis ich meine Schuld eingesehen habe. Es ist wie eine Wunde, an der ich leide. Aber wozu einen Schritt machen, wenn das Opfer nichts macht?". - "Hauptsache, du machst etwas gegenüber dem Opfer", sagt Raouf."
Ein älterer Häftling ergreift auch das Wort: "Ich bin nicht mehr verbittert und habe keine Rachegedanken mehr. Ich habe mich davon befreit." Für Mourad ist dieser Austausch eine prägende Erfahrung.
 

bout de chemin

     
   

Kampf der Familien

In der Banlieue (Vororte) von Paris wohnen afrikanische Familien mit ihren Kindern in Studios, Hotelzimmern und notdürftigen Unterkünften eingepfercht. Der Bürgermeister weigert sich, sie zu empfangen. Ihre Dossiers liegen seit Jahren in den Schubladen der Behörden.

familles en lutte Mit der Unterstützung des Komitees "chômeurs et salariés" (Arbeitslose und Angestellte) beschließen sie, ein ehemaliges Altenheim zu besetzen, das seit drei Monaten geschlossen ist und leer steht. Zwei Wochen lang können die neuen Mieter das große Gebäude nutzen und sich über den genügenden Platz freuen. Aber eines Morgens sind die Ordnungskräfte zur Stelle und räumen das Gebäude; 21 Familien werden samt ihren 45 Kindern auf die Straße gestellt. Die Türen werden gleich zugemauert. Die Bevölkerung reagiert. 

Da ich um Unterstützung angefragt worden bin, besuche ich gegen Abend die Familien, die mit ihren Matratzen vor dem Rathaus kampieren. Die Kinder spielen, die Männer kehren von ihrer Arbeit zurück. Die Frauen in ihren schönen farbigen Kleidern bieten mir Tee an. Ich werde wie ein Familienmitglied aufgenommen. "Ich warte seit zwei Tagen auf Sie!" sagt mir eine von ihnen. Sie sind sich ihrer Würde und Stärke bewusst.
Die Delegation kommt von der Präfektur zurück. Die Mienen sind entspannt. Der Präfekt hat die Situation entschärft. Ein Sieg!
"In einer halben Stunde hat man uns das zugestanden, was wir seit drei Monaten unaufhörlich verlangen."

   

 

     
   

Missionsfest

Ein Missionar der Spiritaner-Gemeinschaft ist aus Benin in seine Heimat, die Vendée, zurückgekehrt, um dort den Sommer zu verbringen.

pour les autres Ich achte ihn sehr. Er ist ein Mensch, der für die andern da ist und so wirklich Jesus nachfolgt. 

Vor vierzig Jahren hat er in der Dorfkirche seines Wohnorts die Priesterweihe empfangen. Die ganze Familie hat sich voller Freude versammelt, um dieses Jubiläum zu feiern. Schließlich hat er als "ihr"Priester mehrere Neffen und Nichten getauft und getraut. In der Dankfeier wird diese Lebendigkeit und dieses innerliche Mitgehen spürbar. Ich bin der Außenstehende, der die Predigt hält.
Das Fest wird durch ein ausgedehntes Picknick im Gras, am Ufer eines Teichs, fortgesetzt.

Mein Nachbar ist ein junger Familienvater, der das Bedürfnis hat, sich mir anzuvertrauen:
"Die Kirche interessiert mich nicht mehr, sie ist mir gleichgültig geworden. Praktizieren tu ich nicht mehr.

Was zählt, ist der Mensch."
In dieser Familie, wo das Christsein von allen einhellig gelebt zu werden schien, versteckte sich also ein Rebell ... ein sympathischer Rebell.
Seine Gegenwart könnte für den Glauben seiner Verwandten sogar eine positive Auswirkung haben; seine Art, Überkommenes zu hinterfragen, kann sie weiterbringen.
Als ich mich von ihm verabschiede, sage ich ihm leise ins Ohr: "Bleib ein Rebell!"
 

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Eltern von Schülern

risquer d'expulsion In Nantes sollen ausländische Schüler ausgewiesen werden, da ihre Familien keine gültigen Aufenthaltspapiere haben.
Die Kinder werden nach Schulschluss angehalten und es kommt sogar vor, dass die Polizei ins Klassenzimmer kommt! Die Betroffenheit ist groß, wenn auf Kinder losgegangen wird.
 

Eine Gruppe von Eltern zögert nicht lange mit dem Protest. "Als Eltern sind wir dagegen, dass Kameraden unserer Kinder abgeschoben werden." - "Wir waren früher keine Aktivisten, jetzt sind wir es aber geworden."

Das Elternkomitee möchte; dass ich mit Professor Jacquard zusammen nach Nantes komme. Wir nehmen also den Zug nach Nantes, ohne zu wissen, welche Rolle wir spielen müssen, ohne die Dossiers zu kennen. 

gaillot et jacquard

Wichtig ist, dass wir dort sind und unsere Solidarität kundtun.
Wir beginnen mit einer Pressekonferenz - mitten auf der Straße und umringt von den Medien.
Wir betreten mit den Leuten vom Komitee ein Restaurant, um schnell etwas zu essen. Die Wirtin ist so froh, mich in ihrem Lokal zu empfangen, dass sie mich wie einen alten Freund begrüsst und mir das Essen spendiert!
Unsere Delegation wird vom Präsidenten des Regionalrats und dann auch vom Abgeordneten und Bürgermeister empfangen. Das humanitäre Anliegen wird von diesen Volksvertretern ernst genommen. Die Verhandlung verläuft positiv. Das Komitee zeigt sich befriedigt. Wir können beruhigt wieder den Zug besteigen.