Logbuch: August 2004 

  Die Partenia-Gemeinde Kampf in der Siedlung
  Ablehnung
 
Ein Katechismus, der Freiheit atmet von Jacques Gaillot
Ein Buch, dass dem kritischen Denken in der katholischen Kirche Raum gibt ...und für die Freiheit plädiert. (Der Link führt Sie zu den Infos - ab 1. September im Buchhandel)
 

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Die Partenia-Gemeinde

Partenia en route Eine Frau wartet auf einen Bus, der nicht kommt. Sie kommt näher und spricht mich an: "Ich sehe Sie ab und zu den Bus nehmen und habe jedesmal Lust, Ihnen eine Frage zu stellen.  

Wie kann man Gott finden?".
"Ich komme soeben aus der Banlieue, wo ich eine Roma-Familie besucht habe, der die Vertreibung droht. Ich hatte den Eindruck, dass Gott da war, bei diesen armen Leuten. An ihrer Seite."
Wir steigen zusammen in den Bus.
"Ich möchte glauben, aber ich kann nicht. Und doch suche ich Gott."
"Ich auch. Wie Sie suche ich Gott. Wenn man die Hand der Armen hält, ist man auf einem Weg, der einem die Augen öffnet."
Ich muss aussteigen. "Schade", sagt sie.

In der Metro stand ein junger Mann von seinem Platz auf - ich nahm an, dass er aus Indien stammte -, und setzte sich neben mich.
"Störe ich Sie nicht? Ich möchte, dass Sie mich aufklären. Ich bin nicht Christ, aber ich lese das Evangelium und da steht ein Satz von Jesus, den ich nicht verstehe: Wer hat, dem wird gegeben werden. Wer aber nicht hat, dem wird auch das wenige genommen werden, das er hat."
"Ich hätte es lieber gesehen, wenn Sie mich über ein anderes Bibelwort befragt hätten. Dieses ist auch für mich mysteriös. Ich habe lange versucht, den Sinn davon zu verstehen.

richesse humaine Jeder von uns besitzt menschliche und spirituelle Reichtümer. Sie sind nicht für uns, sondern für die andern. Wir werden verlieren, was wir festhalten wollen. Was wir aber den andern zu geben bereit sind, wird verwandelt und vervielfältigt." 

" Danke, das genügt mir vollauf als Erklärung."
Im Zug, der sich in Paris Richtung Montpellier in Bewegung setzt, sind keine Plätze mehr frei. Ich halte mich in der Nähe der Türen auf, froh darüber, dass ich wenigstens habe einsteigen können.
Ziemlich schnell erhebt sich ein asiatisch aussehender Mann von seinem Notsitz und sagt zu mir: "Nehmen Sie Platz". Und er fügt hinzu: "Ich tue das nicht, weil Sie ein Monseigneur sind, sondern weil Sie eine ältere Person sind."
Ich setze mich auf seinen Platz. Dieser Mann versteht es, dem Menschen mehr Wert beizumessen als seiner Funktion!
     

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Kampf in der Siedlung

Die Bewohner des Quartiers Petit-Bard in Montpellier geben nicht auf. In einem heruntergekommenen, verslumten Gebäude hat es bei einer Feuersbrunst einen Toten und mehrere Verletzte gegeben. Die Familien, die dabei zu Schaden gekommen sind, haben beschlossen, die sich in der Nähe befindende Turnhalle zu besetzen. Sie weigern sich, in ihre Wohnungen zurückzukehren, und verlangen von den Gemeindebehörden eine neue Unterkunft.

dans le ghetto Hier leben Einwanderer; im Lauf der Jahre ist aus dem Quartier ein Ghetto geworden.
Die Familien - die meisten sind Marokkaner - wollen sich nicht mehr alles gefallen lassen.
 

Man hatte mich gebeten, sie vor Ort zu unterstützen, und so besichtige ich das verlassene Haus. Eine Schande, was sich einem da für ein Anblick bietet!

An den Wänden sieht man verschiedene Aufschriften: "Petit-Bard: im Stich gelassen... in Gefahr... lebensgefährlich".
Der Kampf wird organisiert: Die MIB (Mouvement de l'immigration et des banlieues), die Cimade, die DAL (droit au logement) und andere Vereinigungen spannen zusammen. Mehr als 1000 Personen demonstrieren im Quartier - so etwas hat man hier noch nie gesehen.
 

cité abandonnée


Es ist das erste Mal, dass die Bewohner von Petit-Bard sich mobilisieren und bereit sind, bis zum Äußersten zu gehen. Sie haben begriffen, dass nichts geht, wenn sie sich nicht wehren.
Vorläufig stellen sich die Behörden noch taub.
   

 

     
   

Ablehnung

In der Pariser Banlieue haben Roma-Familien, die nun dauernd überall vertrieben werden, auf einem dem Conseil Général (oberstes Exekutivorgan eines Departements) gehörenden Grundstück Zuflucht gefunden. Man verspricht ihnen, sie von dort nicht zu vertreiben. Aber der Stadtrat sieht die Sache anders und setzt alle Hebel in Bewegung, um sie loszuwerden.

soutien pour les roms Ich folge der Aufforderung der Unterstützungsorganisationen und treffe mich mit den in Zelten untergebrachten Familien.  

Am späten Nachmittag findet in der Nähe des besetzten Geländes eine stürmisch verlaufende Versammlung statt. Es ist nicht leicht, sich Gehör zu verschaffen. Etwa fünfzehn Personen, darunter auch der Stadtdirektor, schreien gegeneinander an.
Der Diskussionsleiter erteilt mir das Wort, und sofort stehen die Gegner auf und verlassen geschlossen die Versammlung.

Während der Fahrt nach Paris mache ich mir über das Geschehene Gedanken. In unserer laizistischen Gesellschaft wird man nicht mehr abgelehnt, weil man gläubig ist. Das ist eine Entscheidung, die in die Privatsphäre gehört. Die Ablehnung erfolgt wegen unserer Solidarität mit den Bedürftigsten, die vor unserer Haustüre leben. Sich für die Armen entscheiden - das ist störend. 

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