Logbuch: April 2004 

  Begegnungen in Bayern  Briefwechsel mit einer Atheistin 
  Mudschaheddin im Irak Ende der Winterpause 
  Geschichte von Partenia und Biographie von Bischof Jacques Gaillot
 
   Machtlos, aber frei
 

PARTENIA

Briefe

Logbuch

Bibel

Info

Begegnungen in Bayern

rencontre Es war anläßlich einer Rede, die ich in einer Vorstadt von München hielt, wo ich sehr freundlich aufgenommen worden war. Die Zuhörer kamen auch zu Wort. Zwei Aussagen haben mich besonders beeindruckt.
Eine Frau fragte: "Was tun, um arm zu sein? Von meiner Erziehung und von meiner Situation her werde ich mir bewusst, dass ich nicht arm sein kann."
 

Es ist schon so, dass Reichtum auf der Bildung beruht, auf den Beziehungen, die man hat, auf der Möglichkeit zu reisen, die Fähigkeit, sich auszudrücken... Das alles ist kostbar und man kann es nicht verlieren. Der Reiche kann nicht arm werden, aber er kann sich trotzdem für die Armen entscheiden. Er kann zu ihrem Partner werden und sich so gegen ihre Feinde stellen.

Eine junge Frau ergriff das Wort: "Als Sie 1995 Evreux verlassen mussten, bin ich aus der Kirche ausgetreten. Ich habe diese Ungerechtigkeit nicht ertragen können. Heute bin ich verunsichert, denn Sie haben die Kirche nicht verlassen und bekämpfen sie nicht."

Während eines Gottesdienstes mit der Tabor-Gemeinschaft (Verein zur Unterstützung Strafentlassener) legten verschiedene Teilnehmer ein bewegendes Zeugnis ab: Ein Jugendlicher, der drogensüchtig gewesen war, wandte sich an die Zuhörer: Ich hatte das Glück, dass mir jemand die Hand hinstreckte, als ich in großen Schwierigkeiten war."

Ein ehemaliger Alkoholiker, der im Gefängnis gesessen hatte, meinte: "Dank der Gemeinschaft habe ich mich davon befreien können. Ich war nicht mehr allein." 

témoignage

     

RŸckblick

Link

Geschichte

Archiv

Buecher

send email

 

Briefwechsel mit einer Atheistin

Seit einigen Jahren bekomme ich von einer mir unbekannten Frau Briefe, in denen sie all das Schlechte festhält, das sie von der katholischen Kirche und vor allem vom Papst hält. Ich antwortete ihr bewusst mit ebenfalls kritischen Stellungnahmen. Ich spürte, dass sie eine Rebellin war und einen ausgeprägten Gerechtigkeitssinn besaß, und so zog ich es vor, ihr von meinem Kampf zu berichten.
Nach und nach begann diese Frau, auch von sich selber erzählen. Ich erfuhr, dass sie als Jüdin während des zweiten Weltkriegs viel gelitten hatte, dass sie sich ständig mit ihren Söhnen verstecken musste. Sie ist heute sehr betagt, aber sie hat ihren kämpferischen Geist bewahrt und erträgt weder die Ungerechtigkeit noch die Geißel der Religionen.
 
"Kommunion und Firmung waren für mich Theaterstücke, die ich ohne religiöse Gedanken spielte; was mir die Priester und Nonnen eintrichtern wollten, konnte ich nicht akzeptieren, und ich sah bestürzt, wie einige meiner Kameradinnen mit Überzeugung beteten. Glauben ist fast wie eine schwere Last, die man auf dem Boden abstellt und die einem so zu leben hilft. Ich glaube an nichts und fühle mich leicht mit meinem Unglauben."
Meine Briefpartnerin ist nun schwer erkrankt und weiß, dass ihr nicht mehr viel Zeit bleibt.

nature rebelle "Der bevorstehende Tod ändert nichts an meiner Art zu sein. Ich versuche immer noch, Neues zu lernen, als ob ich noch in die Zukunft schauen könnte." 

"Ich habe verlangt, dass man Sie von meinem Ableben in Kenntnis setzt. Vor allem keine Gebete. Das hieße mich beleidigen. Nur keine Jeremiaden!"
"Meine Gedanken sind oft bei Ihnen."
   

 

     
   

Mudschaheddin im Irak

In Paris fand eine internationale Begegnung von Juristen statt; Danielle Mitterrand war auch dabei und viele andere Persönlichkeiten. Eine Botschaft von Abbé Pierre wurde verlesen.

Modjahedines Es ging um das Schicksal von 18 000 Mudschaheddin, die seit 18 Jahren im Irak sind, um gegen die Diktatur der Mullahs zu kämpfen.  

Die irakische Bevölkerung hat sie problemlos aufgenommen. Ihre Anwesenheit hat nie gestört.
Heute befinden sich die Mudschaheddin in der Achraf-Basis im Nordwesten von Bagdad. Ihr Schicksal ist ungewiss.
Die höchsten Behörden des iranischen Regimes haben von der irakischen Übergangsregierung ihre Auslieferung verlangt. Aber alles hängt von dem ab, was die Vereinigten Staaten wollen.

Es ist ein entscheidender, kritischer Moment für die Zukunft der Mudschaheddin, die schon viel gelitten haben.  quel avenir

Werden sie an den Iran ausgeliefert, so werden sie eingesperrt, gefoltert und sogar zum Tod verurteilt. Das wäre ein Verbrechen gegen die Menschlichkeit. Deshalb werden in verschiedenen Ländern Protestaktionen durchgeführt, um ihre Verteidigung zu organisieren.

Als ich diesen Juristen zuhörte, fand ich, alles sei klar: Die Mudschaheddin haben das internationale Recht auf ihrer Seite. Die 4. Genfer Konvention spricht für sie, es wäre gegen alle juristischen Normen, sie an den Iran auszuliefern.

Das Problem ist, dass das Recht nicht immer angewendet wird. Die politische Logik tritt an die Stelle des Rechts. Kann man die Politik zugunsten de Rechts zurückdrängen?

Wenn dies der Fall wäre, könnten die Mudschaheddin im Irak bleiben. Es wäre ein rechtlicher und humanitärer Sieg.

   

 

     
   

Ende der Winterpause

Am 15. März läuft die Frist ab, Hunderte von Familien werden brutal aus der Wohnung geworfen. Wohin jetzt? Vorübergehend ins Hotel, zu Bekannten, in eine Notunterkunft.

Wie jedes Jahr findet darum auf dem Place de la République in Paris eine Versammlung statt. Es ist keine sehr große Zahl, die da zusammengekommen ist, aber die Sonne scheint. Ich treffe dort viele Freunde, die sich für die gleichen Ziele einsetzen, mit ihren Familien. Nach einer Stunde setzt sich der Zug in Richtung Place du Châtelet in Bewegung. 

rassemblement

relogement Die Teilnehmer skandieren: Un toit c'est un droit - jeder hat das Recht auf ein Dach über dem Kopf. Keine Vertreibung ohne Neuunterbringung. 

Familien, die in einem Hotelzimmer wohnen müssen, haben keine Küche und außerdem ist es sehr teuer. Mieten wäre billiger. Aber für die Vermieter bieten diese Familien zu wenig Garantien. Und so haben sie auch keine Adresse, was in Sachen Schule für die Kinder oder soziale Sicherheit zu Komplikationen führt.

In Paris und Umgebung kommt es immer häufiger vor, dass Leute vor die Tür gesetzt werden, weil sie mehr denn je außerstande sind, die hohen Mieten zu zahlen. Was sind das für Leute? Immigranten, Junge, Studenten, Behinderte, große Familien, Alleinerziehende...
Wer heutzutage aus der Wohnung geworfen wird, muß eine Irrfahrt durch die Stadt antreten und in Heimen, Hotels und Notunterkünften leben. Die Familie kann nicht zusammen bleiben.

Was ist der Grund für die zunehmenden Zwangsräumungen? Die Wohnungsspekulation, die unkontrollierten Mietzinserhöhungen, die ungenügenden Sozialwohnungen und auch die Schwächung der Mieterrechte. Die Hauptverantwortlichen sind die Behörden, ist die Regierung.