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Begegnungen in Bayern
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Es war anläßlich einer Rede, die ich in einer Vorstadt
von München hielt, wo ich sehr freundlich aufgenommen worden
war. Die Zuhörer kamen auch zu Wort. Zwei Aussagen haben
mich besonders beeindruckt.
Eine Frau fragte: "Was tun, um arm zu sein? Von meiner Erziehung
und von meiner Situation her werde ich mir bewusst, dass ich
nicht arm sein kann." |
Es ist schon so, dass Reichtum auf der Bildung beruht,
auf den Beziehungen, die man hat, auf der Möglichkeit zu
reisen, die Fähigkeit, sich auszudrücken... Das alles
ist kostbar und man kann es nicht verlieren. Der Reiche kann
nicht arm werden, aber er kann sich trotzdem für die Armen
entscheiden. Er kann zu ihrem Partner werden und sich so gegen
ihre Feinde stellen.
Eine junge Frau ergriff das Wort: "Als Sie 1995 Evreux
verlassen mussten, bin ich aus der Kirche ausgetreten. Ich habe
diese Ungerechtigkeit nicht ertragen können. Heute bin ich
verunsichert, denn Sie haben die Kirche nicht verlassen und bekämpfen
sie nicht."
Während eines Gottesdienstes mit der Tabor-Gemeinschaft
(Verein zur Unterstützung Strafentlassener) legten
verschiedene Teilnehmer ein bewegendes Zeugnis ab: Ein Jugendlicher,
der drogensüchtig gewesen war, wandte sich an die Zuhörer:
Ich hatte das Glück, dass mir jemand die Hand hinstreckte,
als ich in großen Schwierigkeiten war."
Ein ehemaliger Alkoholiker, der im Gefängnis gesessen
hatte, meinte: "Dank der Gemeinschaft habe ich mich davon
befreien können. Ich war nicht mehr allein." |
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Briefwechsel mit einer
Atheistin
- Seit einigen Jahren bekomme ich von einer mir unbekannten
Frau Briefe, in denen sie all das Schlechte festhält, das
sie von der katholischen Kirche und vor allem vom Papst hält.
Ich antwortete ihr bewusst mit ebenfalls kritischen Stellungnahmen.
Ich spürte, dass sie eine Rebellin war und einen ausgeprägten
Gerechtigkeitssinn besaß, und so zog ich es vor, ihr von
meinem Kampf zu berichten.
Nach und nach begann diese Frau, auch von sich selber erzählen.
Ich erfuhr, dass sie als Jüdin während des zweiten
Weltkriegs viel gelitten hatte, dass sie sich ständig mit
ihren Söhnen verstecken musste. Sie ist heute sehr betagt,
aber sie hat ihren kämpferischen Geist bewahrt und erträgt
weder die Ungerechtigkeit noch die Geißel der Religionen.
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- "Kommunion und Firmung waren für mich Theaterstücke,
die ich ohne religiöse Gedanken spielte; was mir die Priester
und Nonnen eintrichtern wollten, konnte ich nicht akzeptieren,
und ich sah bestürzt, wie einige meiner Kameradinnen mit
Überzeugung beteten. Glauben ist fast wie eine schwere Last,
die man auf dem Boden abstellt und die einem so zu leben hilft.
Ich glaube an nichts und fühle mich leicht mit meinem Unglauben."
Meine Briefpartnerin ist nun schwer erkrankt und weiß,
dass ihr nicht mehr viel Zeit bleibt.
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"Der bevorstehende Tod ändert nichts an meiner Art
zu sein. Ich versuche immer noch, Neues zu lernen, als ob ich
noch in die Zukunft schauen könnte." |
"Ich habe verlangt, dass man Sie von meinem Ableben in Kenntnis
setzt. Vor allem keine Gebete. Das hieße mich beleidigen.
Nur keine Jeremiaden!"
"Meine Gedanken sind oft bei Ihnen."
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Mudschaheddin im Irak
In Paris fand eine internationale Begegnung von Juristen
statt; Danielle Mitterrand war auch dabei und viele andere Persönlichkeiten.
Eine Botschaft von Abbé Pierre wurde verlesen.
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Es ging um das Schicksal von 18 000 Mudschaheddin, die seit
18 Jahren im Irak sind, um gegen die Diktatur der Mullahs zu
kämpfen. |
Die irakische Bevölkerung hat sie problemlos aufgenommen.
Ihre Anwesenheit hat nie gestört.
Heute befinden sich die Mudschaheddin in der Achraf-Basis im
Nordwesten von Bagdad. Ihr Schicksal ist ungewiss.
Die höchsten Behörden des iranischen Regimes haben
von der irakischen Übergangsregierung ihre Auslieferung
verlangt. Aber alles hängt von dem ab, was die Vereinigten
Staaten wollen.
Es ist ein entscheidender, kritischer Moment für die
Zukunft der Mudschaheddin, die schon viel gelitten haben. |
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Werden sie an den Iran ausgeliefert, so werden sie eingesperrt,
gefoltert und sogar zum Tod verurteilt. Das wäre ein Verbrechen
gegen die Menschlichkeit. Deshalb werden in verschiedenen Ländern
Protestaktionen durchgeführt, um ihre Verteidigung zu organisieren.
Als ich diesen Juristen zuhörte, fand ich, alles sei
klar: Die Mudschaheddin haben das internationale Recht auf ihrer
Seite. Die 4. Genfer Konvention spricht für sie, es wäre
gegen alle juristischen Normen, sie an den Iran auszuliefern.
Das Problem ist, dass das Recht nicht immer angewendet
wird. Die politische Logik tritt an die Stelle des Rechts. Kann
man die Politik zugunsten de Rechts zurückdrängen?
Wenn dies der Fall wäre, könnten die Mudschaheddin
im Irak bleiben. Es wäre ein rechtlicher und humanitärer
Sieg. |
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Ende der Winterpause
Am 15. März läuft die Frist ab, Hunderte von
Familien werden brutal aus der Wohnung geworfen. Wohin jetzt?
Vorübergehend ins Hotel, zu Bekannten, in eine Notunterkunft.
Wie jedes Jahr findet darum auf dem Place de la République
in Paris eine Versammlung statt. Es ist keine sehr große
Zahl, die da zusammengekommen ist, aber die Sonne scheint. Ich
treffe dort viele Freunde, die sich für die gleichen Ziele
einsetzen, mit ihren Familien. Nach einer Stunde setzt sich der
Zug in Richtung Place du Châtelet in Bewegung. |
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Die Teilnehmer skandieren: Un toit c'est un droit -
jeder hat das Recht auf ein Dach über dem Kopf. Keine Vertreibung
ohne Neuunterbringung. |
Familien, die in einem Hotelzimmer wohnen müssen,
haben keine Küche und außerdem ist es sehr teuer.
Mieten wäre billiger. Aber für die Vermieter bieten
diese Familien zu wenig Garantien. Und so haben sie auch keine
Adresse, was in Sachen Schule für die Kinder oder soziale
Sicherheit zu Komplikationen führt.
In Paris und Umgebung kommt es immer häufiger vor,
dass Leute vor die Tür gesetzt werden, weil sie mehr denn
je außerstande sind, die hohen Mieten zu zahlen. Was sind
das für Leute? Immigranten, Junge, Studenten, Behinderte,
große Familien, Alleinerziehende...
Wer heutzutage aus der Wohnung geworfen wird, muß eine
Irrfahrt durch die Stadt antreten und in Heimen, Hotels und Notunterkünften
leben. Die Familie kann nicht zusammen bleiben.
Was ist der Grund für die zunehmenden Zwangsräumungen?
Die Wohnungsspekulation, die unkontrollierten Mietzinserhöhungen,
die ungenügenden Sozialwohnungen und auch die Schwächung
der Mieterrechte. Die Hauptverantwortlichen sind die Behörden,
ist die Regierung. |
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