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Arbeiterpriester
Vor fünfzig Jahren, am 1.März 1954, erfolgte
die rücksichtslose Verurteilung der Arbeiterpriester. Das
kategorische Verbot von Papst Pius XII. Es war eine Tragödie.
Damals zählte ihre Gruppe kaum hundert Personen. Etwas mehr
als die Hälfte von ihnen beschloss, die Arbeit weiterzuführen.
Einen von ihnen kenne ich gut, er war für mich immer ein
mutiger Zeuge des Evangeliums.
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Heute sind sie nicht mehr sehr zahlreich. Die Wenigen, die
aus jener Zeit übrig geblieben sind, wollten die Bedeutung
ihres damaligen Engagements zum Ausdruck bringen. |
An der Seite ihrer Arbeiterkollegen sind sie für Werte
eingestanden, die ihnen wichtig sind: "Solidarität
im Leben und in der Arbeit, eine Würde, die oft mit Füßen
getreten, aber immer eingefordert wurde, und vor allem der Ruf
nach der Gerechtigkeit, die von den Besitzenden und Mächtigen
verspottet wurde. Die Gerechtigkeit als Recht und nicht als demütigendes
Almosen."
Diese von der Institution abgelehnten Arbeiterpriester
vertraten die Kirche in einem kirchenfernen Umfeld.
Hier ihre Schlusserklärung: "Eine Feststellung
drängt sich uns auf: Die Unfähigkeit der institutionellen
Kirche, die anderen Kulturen anzunehmen, und der Wille des Menschen,
als freies und verantwortungsbewusstes Individuum an der Welt
mit zu bauen. Frei von nachtragenden Gedanken, können wir
nun sagen, dass uns diese Jahre den Frieden gebracht haben." |
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Demonstration gegen das
Schleierverbot
- Der Demonstrationszug bewegte sich in Richtung Place de
la Nation. Viele verschleierte Frauen waren darunter. Ich las
mit Interesse, was auf den Spruchbändern stand, und hörte
den Rednern zu.
"Niemand lässt sich Sand in die Augen streuen: Das
Verbot der religiösen Symbole in den Schulen richtet sich
in erster Linie gegen das islamische Kopftuch. Seit sechs Monaten
ist nur noch davon die Rede. Was man vom Kopftuch auch halten
möge und von der Weigerung, es in der Schule abzunehmen
- eine derart rigorose Maßnahme wie der Ausschluss aus
der öffentlichen Schule ist damit nicht gerechtfertigt."
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Noch interessanter waren die Aussagen der Frauen: "Dieses
Gesetz wird als "feministische" Maßnahme präsentiert,
die die Gleichberechtigung zwischen Mann und Frau fördern
und ein Symbol der Unterdrückung aus der Welt schaffen soll. |
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- Wir sind zwar dagegen, dass die Frauen gezwungen werden,
das Kopftuch zu tragen, wir sind aber auch dagegen, dass andere
Frauen gezwungen werden, das Kopftuch abzunehmen. Die Emanzipation
gelingt nicht durch Zwangsmaßnahmen, sondern durch die
Eroberung der Rechte. Die großen feministischen Kämpfe
waren nie mit Repressionsmethoden verbunden. Wir haben immer
um Rechte gekämpft."
Die Frauen waren sich einig: Dieser Gesetzentwurf wird überhaupt
keine Lösung sein.
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Wille zum Erfolg
Ich treffe einen Freund, der in der Banlieue von Paris
eine Schule leitet: Er ist noch jung; seit vier Jahren kämpft
er um ein besseres Image seiner Schule.
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Von den 450 Schülern sind viele maghrebinischer oder
afrikanischer Abstammung. Seit kurzer Zeit gehören auch
etwa dreißig Gehörlose dazu. Die Schüler stammen
aus Familien, die in Schwierigkeiten sind. Sehr oft muss die
Frau die Kinder allein erziehen. |
Der Schuldirektor ist klein gewachsen und sieht ein bisschen
zerbrechlich aus. Aber welch ein innere Energie! Vor nichts hat
er Angst. Wenn auf dem Schulhof ein Streit ausbricht, stürzt
er sich ins Getümmel und spricht ein Machtwort. Jeden kennt
er beim Familien- und Vornamen und irrt sich nie. "Und es
heißen ja nicht alle Mohammed oder Fatima", sagt er
mir. Das ist seine Stärke.
Er möchte möglichst bei seinen Schülern
sein, nicht nur während der Schulzeit, sondern auch sonst.
Manchmal verlässt ihn der Mut. Die Gewalt hat stark nachgelassen,
und jetzt, mit dem Schnee, ist sie plötzlich wieder da.
Vor dem Schulgebäude stecken sie Steine in Schneebälle
und zielen damit auf Autoscheiben.
Die Schüler wissen genau, wie er mit ihnen sprechen wird.
Er möchte aus ihnen etwas Besseres machen. "Du musst
da raus." - Du schaffst es." Und der Erfolg stellt
sich ein: Katholische Stadtschulen mit Kindern aus wohlhabenden
Familien vertrauen diesem Collège in der Vorstadt die
Schüler an, die sie loswerden möchten.
Er wird von Fernsehleuten bedrängt, die eine Reportage über
das Kopftuchverbot machen wollen. Er lehnt ab, weil kein einziges
Mädchen den Schleier trägt. Sie ziehen enttäuscht
ab! |
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Freiheit für Cesare
Battisti
Der Italiener Battisti kam vor 14 Jahren nach Frankreich,
weil der damalige Präsident der Republik entschieden hatte,
Frauen und Männern Asyl zu gewähren, die von der italienischen
Justiz bedroht wurden. 1991 lehnte das Berufungsgericht von Paris
ein Auslieferungsbegehren ab.
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Cesare Battisti ist verhaftet worden, als er seinen Briefkasten
leerte. Nun sitzt er im Prison de la Santé in Paris.
Es geht nicht an, dass Leute heute fallen gelassen werden, die
aufgenommen worden waren. |
Cesare ist Schriftsteller, er hat eine Familie und führt
ein normales Leben. Er hat das ihm entgegengebrachte Vertrauen
nicht missbraucht.
Die italienische Gemeinschaft und seine zahlreichen Freunde sind
in Aufruhr. Die politischen Flüchtlinge aus Italien bekommen
Angst. Morgen werden sie an der Reihe sein. Man spielt doch nicht
mit dem Leben der Menschen.
Der Widerstand formiert sich umgehend. An einem Samstagnachmittag
versammeln sich trotz Schulferien und einem wichtigen Rugbyspiel
200 Personen. Die Solidarität kommt ins Rollen, Initiativen
werden vorbereitet.
Eine nicht bewilligte Demonstration vor dem Gefängnis ist
vorgesehen. Cesare soll vorläufig, bis zur Gerichtsverhandlung,
auf freien Fuß gesetzt werden. |