Logbuch: Oktober 2003 

  Die Ersten werde die Letzten sein  Mut zum Widerstand 
  Die Anmut des Alters Vertriebene afrikanische Familien 
  Geschichte von Partenia und Biographie von Bischof Jacques Gaillot
 
   Neues Buch: Machtlos, aber frei
 

PARTENIA

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Die Ersten werden die Letzten sein

Am Gare du Nord in Paris kommt ein älteres Ehepaar auf mich zu und begrüßt mich. Es sind Rentner aus einem kleinen Dorf im Département Eure, die den Zug nach London nehmen wollen.

Der Mann stellt sich vor: "Ich war der Chauffeur des Präfekten von Evreux. Ich werde niemals vergessen, was mit Ihnen geschehen ist.  nouvelle étape

Ich war im Hof der Präfektur. Der Präfekt ist Ihnen entgegengegangen. Aber Sie sind zuerst auf mich zugekommen und haben mich gegrüßt. Der Präfekt hat sich kaum erholen können!" - Tatsächlich erinnerte ich mich an diese Episode, die meinen Gesprächspartner so sehr beeindruckt hatte.

en voyage

Von seiner Frau ermutigt, hatte der Ex-Fahrer des Präfekten noch eine Bitte an mich. Jetzt oder nie... "Ich hätte gern Ihre Adresse, denn ich habe meinen Kindern immer gesagt, dass ich von Ihnen beerdigt werden möchte."

Ich reichte ihm meine Visitenkarte und gab ihm zu bedenken: "Das Problem ist bloß, dass ich vielleicht vor Ihnen abtreten werde..." 

     

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Der Mut zum Widerstand

Romain, ein Beniner, ist der Sprecher des nationalen Komitees der Sans-papiers. Er geht ganz in seiner Sache auf. Mehrere Jahre lang hat er für seine Papiere gekämpft. Nun lässt er die andern in ihrem Kampf nicht allein.

expulsion Es war am Flughafen von Roissy. Romain freute sich, das Flugzeug nach Benin zu besteigen -er hatte seine Heimat zwölf Jahre nicht mehr gesehen. Seine Familie und seine Freunde erwarteten ihn. 

Da wird plötzlich eine Gruppe von Sans-papiers in Handschellen gezwungen, das Flugzeug zu besteigen. Romain verteidigt sie und verlangt, dass sie wieder aussteigen können. (Ich kann mir gut vorstellen, wie er sich ins Zeug gelegt hat!) Der Flugkapitän interveniert und verlangt von den Polizisten, dass sie Romain aus dem Flugzeug holen. Die tun es und nehmen ihn in Gewahrsam.

Vor dem Verwaltungsgericht von Bobigny konnte er auf die Unterstützung unserer starken Gruppe zählen. Der Gerichtspräsident ließ ihn frei. Der Prozess steht noch aus. Vielleicht kommt Romain ins Gefängnis.  la défense

   

 

     
   

Die Anmut des Alters

vieillesse Ist dieser Ausdruck nicht etwas zu gewagt? Die Idee kam mir, als ich für Priester, die im letzten Lebensabschnitt stehen, Einkehrtage hielt. 

Ich erinnere mich an ihre Worte, aus denen die Erfahrung und der Verzicht sprachen: "Das Alter ist schrecklich. Ich hatte immer viel Verantwortung und jetzt habe ich nichts mehr. Ich bin immer mehr von anderen abhängig und eingeschränkt. Und ich habe zu viel Zeit den ganzen Tag." Dazu kommen die Schmerzen und die Einsamkeit.

Aber neben dieser Hilflosigkeit und Blöße, die das Alter unweigerlich mit sich bringt, spürte man bei diesen Priestern eine große Zärtlichkeit, eine innere Freiheit, ein Sich-Christus-Überantworten, das mich mit Bewunderung erfüllte.

Wenn dieselben Priester sich in der Kapelle zum Gebet versammelten, geschah etwas Großartiges. Ich entdeckte den Sinn, der ihre letzte Lebensetappe erfüllte: Wenn alles andere plötzlich fehlt, ist Gott noch da. Die Liebe vergeht nicht. 

la prière

   

 

     
   

Vertriebene afrikanische Familien

camper sur la rue Es geschah in einer Vorstadt von Paris, in Rougemont à Sevran. Nach den Sommerferien gibt es wieder zahlreiche brutale Vertreibungen. 

Die afrikanischen Familien beschließen, vor dem Haus, wo sie gewohnt haben, zu campen und zu warten, bis die Behörden und der Vermieter eine Lösung betreffend eine neue Unterkunft vorschlagen. Die Solidarität im Quartier ist überwältigend. Frauen und Kinder kommen bei Nachbarn unter, während die Jungen das Lager bewachen.

Dem Stadtrat passt dies alles nicht. Das Lager wird abgebrochen, und die Polizei nimmt 18 Personen in Gewahrsam!

Vor dem Rathaus fand später eine Demonstration zugunsten der Familien statt. Ich stieß auf zahlreiche Freunde. Eine Delegation wurde im Stadthaus empfangen.

relogement Wir forderten einen Runden Tisch mit allen Zuständigen, neue Unterkünfte und die Befreiung aller Inhaftierten. Der Bürgermeister war so "großzügig", den Familien den Platz vor dem Rathaus zur Verfügung zu stellen.