Logbuch: Dezember 2002 

  Kirche und Kirchen  In der Moschee von Paris 
  Vertreibung von Familien aus Mali   José Bové verurteilt 
  Geschichte von Partenia und Biographie von Bischof Jacques Gaillot
 
   Neues Buch: Machtlos, aber frei
 

PARTENIA

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Kirche und Kirchen

Das gewaltsame Aufbrechen der Kirchentür von Saint-Bernard mit der Axt und der Hinauswurf der Sans-papiers durch die Ordnungskräfte, das war gestern. Da war eine Schwelle überschritten worden. Schluss mit dem "Asylrecht" in den Kirchen. Das Ereignis erregte großes Aufsehen - und viele sahen darin schließlich nur noch einen Fauxpas - Fehltritt.

Die Aufnahme der Sans-papiers wird "von Fall zu Fall" entschieden, das heißt tröpfchenweise. Viele sind erschöpft und sehen in der Besetzung von Kirchen das letzte Mittel, um sich Gehör zu verschaffen.

Saint-Denis Im August 2002 wurde die Basilika Saint-Denis während zwei Wochen besetzt. Alles verlief ruhig, der Pfarrer zeigte Verständnis. Nicht aber die Bischöfe der Ile de France, die am 23. September eine Erklärung unterzeichneten, in der stand, dass "derartige Aktionen der Sache der Sans-papiers eher schaden als nützen". In mehr oder weniger gewählten Worten beteuern diese Bischöfe, dass sie mit den Sans-papiers solidarisch sind, solange sich diese nicht den Kirchen nähern. 

Eine Art Gelegenheitsverlautbarung? Mitnichten! Während sich die französischen Bischöfe in Lourdes versammeln, wird in Paris erneut eine Kirche von Sans-papiers besetzt.

Die Polizei greift sofort ein und legt Wert auf die Feststellung, dass sie dies "auf das Verlangen der Verantwortlichen hin" tue. Das Unglück ist geschehen. Von nun an wird man wissen, dass die Sicherheit der Sans-papiers nicht mehr gewährleistet ist, wenn sie eine Kirche besetzen.  interdit

     

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In der Moschee von Paris

Mosquée de Paris Ich war in Begleitung des Obdachlosenkomitees vom Leiter und dem Mufti der Moschee von Paris empfangen worden. Die zweistündige Unterredung fand in einer herzlichen Atmosphäre statt. 

Wir baten darum, beim Staatspräsidenten vorstellig zu werden, um die ausweglose Lage der Sans-papiers zu schildern. In dieser Phase des Jahres, in der in allen großen Religionen das Andenken an wichtige spirituelle Ereignisse gefeiert wird (Ramadan, Weihnachten, Chanukkah), bitten wir um einen mutigen Entscheid.

Der Vorsteher war sofort vorbehaltlos einverstanden und bereit, die nötigen Schritte zu unternehmen. Wir haben zusammen einen Text redigiert, haben ihn erneut gelesen, verbessert, unterschrieben und der Presse übergeben.

Der Leiter der Moschee dankte uns für diese Initiative und vor allem auch dafür, dass wir mit diesen jungen Leuten ohne Papiere, deren Leben so hart ist, solidarisch sind. Es war Ramadan, sonst hätte er uns zum Essen da behalten.  solidarité

Als wir die Moschee verließen, sah man den jungen Algeriern des Komitees an, dass sie glücklich und auch stolz waren über diesen wunderbaren Empfang.

   

 

     
   

Vertreibung von Familien aus Mali

Seit Jahren schon hatten sie sich - vergeblich - um eine Wohnung bemüht. Um ihrer prekären Wohnsituation ein Ende zu setzen, beschlossen sie, in einem verlassenen Quartier leerstehende Wohnungen zu besetzen.

jeter dans la rue Mehrmals wurden sie von der Polizei verjagt. Man warf die Familien mit ihren Kindern einfach auf die Straße. 

Sie wurden von solidarischen Leuten aufgenommen, die selbst noch nicht hinausgeworfen worden waren. Aber was für Zustände! Zusammengepfercht hausen sie in diesen Wohnungen, wo es weder Strom noch Gas von der Stadt gibt. Ich bin der Einladung des Unterstützungskomitees gefolgt und verbringe den ganzen Nachmittag mit ihnen.

Erschüttert höre ich ihnen zu, den Frauen, die müde sind, aber nicht aufgeben. Den Familienvätern, die zwar Papiere und Arbeit haben, aber keine anständige Wohnung finden können. Die Kinder dürfen nicht zur Schule. Ich werde mich nie an diesen Skandal gewöhnen. Die Medien sind vor Ort und berichten über diese traurige Situation.

Endlich findet auf der Präfektur ein Treffen statt. Die Familien stehen frierend draußen im Regen. Stundenlang müssen sie dort warten, umringt von Polizisten, obwohl der riesige, geheizte Saal im Präfekturgebäude sie hätte aufnehmen können. Schließlich sitze ich mit der Delegation zusammen am Verhandlungstisch.

bureaucratie Wir kommen gleich zur Sache: "Herr Präfekt, da sind Frauen und Kinder in Gefahr!". Wir erhalten die Zusicherung, dass es keine Vertreibungen mehr geben wird. Dass 12 Wohnungen bereitgestellt werden. Man wird sich drum kümmern. Wie wir auf die Straße treten, ist es schon Nacht. Die im Regen wartenden Menschen würden gern Hoffnung schöpfen und wünschen, dass es sich nicht bloß um leere Versprechungen handelt. 

   

 

     
   

José Bové verurteilt

connaître son visage Die Organisation "Peuples Solidaires" hatte mich zu einem runden Tisch in Embrun (Hautes Alpes) eingeladen. Diskussionsthema: "Bei ihnen zu Hause arm, bei uns ohne Papiere: Was bringt ihnen die Zukunft?". Der Festsaal war umgeben von Ständen, an denen sich Hilfsorganisationen vorstellten. Die ganze Welt war hier präsent.  

Wie immer stellte ich fest, dass die Begegnung mit den Sans-papiers für diese Leute enorm wichtig ist. Alles wird anders, wenn man einen Papierlosen persönlich trifft, in sein Gesicht schaut, mit ihm kommuniziert. Andernfalls bleibt es bei diffusen Vorstellungen und bei der Angst vor den Fremden.

Nach dieser schönen Begegnung besuchte ich ein befreundetes Paar der Bauernvereinigung "Confédération paysanne". Sie züchten in der Bergregion, in der sie wohnen und wo die Luft so rein ist, Ziegen und verkaufen den Käse, den sie selber herstellen. Mit ihren beiden Kindern führen sie ein einfaches, naturnahes und glückliches Leben. Ich bin gern bei ihnen.

José Bové Am Abend hören wir im Radio, dass José Bové zu 14 Monaten Gefängnis verurteilt worden ist. Eine niederschmetternde Nachricht. Bei seinem Kampf gegen die genetisch veränderten Organismen geht es um nichts weniger als um unsere Zukunft.  

Einen Gewerkschaftsführer einsperren - das wird nicht ohne Folgen bleiben. Einmal mehr haben wir den Eindruck, dass bei der Rechtsprechung mit verschiedenen Ellen gemessen wird.