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Die Einsamkeit der Sterbenden
An einer Veranstaltung informiert mich ein Aktivist, dass
Antoine schwer krank ins Krankenhaus eingeliefert worden ist.
Er möchte, dass ich ihn besuche. Mir will nicht einfallen,
wer Antoine ist, aber ich notiere seinen Namen.
Im riesigen Krankenhaus finde ich nach einigem Suchen sein
Zimmer. Seine Frau erkennt mich wieder und freut sich, mich zu
sehen. Auch Antoine - er lächelt mir zu. Er ist im gelb
im Gesicht, hat gelbe Augen und einen aufgetriebenen Bauch.
Er ist sehr geschwächt und kann kaum sprechen, aber
seine Augen sagen mehr, als er mit Worten ausdrücken könnte.
Ich lege meine Hand auf seine und sage ihm: "Nach
all den Kämpfen, die du geführt hast, stellst du dich
jetzt dem härtesten.". Ich sehe ja, dass Antoine nicht
mehr lange zu leben hat. Unterdessen ist seine Frau am Telefon
und gibt beruhigende Mitteilungen zum Zustand ihres Mannes durch.
Sie kritisiert die Krankenschwestern, die selten vorbeikommen
und ihren Pflegedienst schlecht versehen. Zum Glück ist
sie da, um zu reklamieren!
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Ich halte immer noch Antoines Hand oder vielmehr: Seine Hand
hält meine. Dieser physische Kontakt erinnert ihn daran,
dass er immer noch zur Welt der Lebenden gehört. Ich werde
sein Lächeln nicht vergessen, es ist auch ein Abschiedsgruß. |
Im Korridor sagt mir seine Frau: "Es besteht keine
Hoffnung mehr für meinen Mann. Wir sagen es ihm nicht, um
ihn nicht zu erschrecken. Darum sagte ich am Telefon, vor ihm,
es gehe ihm gut. Aber man kann ihm nicht mehr helfen." -
"Ich denke, Antoine weiß, wie es um ihn steht, und
er bereitet sich auf den Tod vor. Haben Sie keine Angst. Er braucht
Sie noch, er braucht Ihre Zärtlichkeit, als Begleitung auf
dieser letzten Etappe." |
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Abbé Grégoire
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Ein Fernsehteam dreht einen Dokumentarfilm über den Abbé
Grégoire, eine große Gestalt aus der Zeit der Revolution
von 1789, der im Panthéon begraben liegt. Strahlender
Sonnenschein im Jardin du Luxembourg. Der Schauspieler, der die
Rolle des Geistlichen verkörpert, trägt eine violette
Soutane. Er will wissen, wie die Vergangenheit die
Gegenwart erhellt. |
Grégoire war ein Verteidiger der Menschenrechte,
der sich vor allem für unterdrückte Minderheiten einsetzte.
Er kämpfte für das volle Bürgerrecht der Juden
und die Befreiung der schwarzen Sklaven. Er wollte auch, dass
seine Kirche die ungeheure Bedeutung der Revolution von 1789
auch für sich selber entdeckte.
Wir brechen zum "Maison des Ensembles" auf, wo
die Sans-papiers uns freudig erwarten. Wir betreten die Schlafsäle,
die ihnen auch als Küche dienen. Sie sind gern bereit, von
ihrem Leben zu erzählen, von ihrem Kampf und dem endlosen
Warten auf die Papiere.
Wir essen dort mit ihnen zusammen. Grégoire wäre
zweifellos gern hier an ihrer Seite, um sie zu verteidigen! |
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Das Gebet der Mönche
Wie jedes Jahr verbringe ich in der Abtei La Pierre-qui-Vire
im Burgund einige Einkehrtage.
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Ohne Auto ist es nicht so einfach, dorthin zu gelangen. Nach
einer Zug- und Busfahrt treffe ich auf einen Mönch, der
mich erwartet hat, die letzte Wegstrecke legen wir im Auto zurück.
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In der Küche begrüße ich zuerst meine Freunde,
das Wiedersehen erfüllt uns mit Freude. Der neue, junge
Abt besucht mich bald darauf in meinem Zimmer. Gerne stimme ich
seinen brüderlichen Vorschlägen zu. Er möchte,
dass ich vor der Gemeinschaft rede, dass ich einer Eucharistiefeier
vorstehe und predige. Auch eine Tasse Kaffee solle ich doch mit
ihm und seinem Rat trinken kommen.
Ich schätze es sehr, am Gebet der Mönche teilnehmen
zu können. Eine betende Gemeinschaft zieht mich immer an.
Die Mönche leben zwar in der Einsamkeit, sind aber nicht
isoliert. Einsamkeit ist nicht gleichbedeutend mit Isolation.
Von allem abgeschnitten zu leben wäre gefährlich. Ist
die Einsamkeit nicht ein innerlicher, geheimnisvoller Ort, wo
Gott allein Zutritt hat? Wo Er auf uns wartet und zu unserem
Herzen spricht?
Tagsüber und auch nachts fühle ich mich getröstet,
wenn ich diese Mönche sehe, die Gott in sich beten lassen,
solidarisch mit allen ihren Brüdern und Schwestern. |
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