Logbuch: September 2001 

  Er heisst Julien  10 Jahre später 
  Gewalt in Genua  Unerwartete Begegnungen 
  In Freiburg (Schweiz)   
  Geschichte von Partenia und Biographie von Bischof Jacques Gaillot
  Archiv  Partenia auf CD-Rom 
 
 

PARTENIA

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Er heißt Julien

Er ist achtzehn. Der Älteste von drei Kindern. Er kommt aus Texas zurück, wo er ein Praktikum absolviert hat. Seine Familie besitzt Weinberge, die weit über die Grenzen des Landes hinaus bekannt sind.

Ein schönes altes Haus. Und dort fand man Julien in seinem Zimmer - er hatte sich erhängt. Sein Geheimnis hatte er mit sich genommen. Der Schmerz ist unermesslich, die Erschütterung unbeschreiblich.

Unendlichkeit 

Einen Monat nach der Tragödie suche ich mit einem gemeinsamen Freund seinen Vater auf. Er ist gerade dabei, mit amerikanischen Weinkäufern ein Geschäft abzuschließen.

Nach dem Besuch in den Kellern begeben wir uns zum Wohnhaus der Familie. Die Mutter zeigt mir Juliens Fotoalbum. Auf dem letzten Foto, das ich in mein Brevier gelegt habe, sieht Julien aus, als würde er prüfend in die Unendlichkeit blicken.

Wir fahren mit dem Auto durch die Weinberge und gelangen zum Friedhof, der an den Hügel geschmiegt da liegt, hoch über dem Tal. Ein wunderschöner, friedlicher Ort.

Vor dem blumengeschmückten Grab fühlen wir uns sehr nah. Nach einem Gebet zu Gott und zu Maria wende ich mich an Julien: "Dein Weggang erschüttert deine Familie. Nichts ist mehr wie vorher. Du zeigst ihnen einen neuen Weg, den Weg der Menschlichkeit."

     

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  10 Jahre später 

Ein Paar, das vor zehn Jahren von mir getraut worden ist, lädt mich ein, den Abend bei ihnen zu verbringen. Ich habe sie seit ihrer Heirat nicht mehr wiedergesehen. Bei meiner Ankunft erblicke ich bei ihnen ein kleines Kind, dessen asiatische Gesichtszüge mir gleich auffallen.

Wir reden über die vergangenen zehn Jahre und über ein einschneidendes Ereignis: "Am Anfang sah alles rosig aus. Wir bekamen alles, was wir uns wünschten. Aber eines hatten wir nicht vorausgesehen: dass wir keine Kinder bekommen konnten. Das war unser erster Misserfolg. Und der war schwer zu verdauen. Wir haben uns in diese Zwangslage ergeben und haben beschlossen, ein Kind zu adoptieren.

Wir sind sehr glücklich darüber. Dieses Kind hat unser Leben geändert.". 

Veränderung 

   

 

     
   

Gewalt in Genua 

friedliche Demostration 

Agnès, eine Aktivistin der Vereinigung Droit au Logement DAL (Recht auf Wohnung) in Paris, war mit Gesinnungsgenossen nach Genua gereist, um friedlich gegen die liberale Globalisierung zu demonstrieren.

neue Generation  Agnès gehört zu dieser neuen Generation, die sich aufbäumt, zu dieser internationalen Bürgerbewegung, deren Entschlossenheit die neuen Herren der Welt in nicht geringem Maße beunruhigt. 

Agnès wurde von der Polizei brutal misshandelt, kam in Genua ins Krankenhaus und wurde später in Paris ins Salpétrière-Spital eingeliefert. Sie kann immer noch nicht fassen, was geschehen ist: eine noch nie da gewesene Repression, ein Toter, mehr als hundert Verletzte, hunderte von willkürlichen Festnahmen.

Indem sie die Proteste von Genua kriminalisiert haben, haben sich die G8-Staaten selber in Misskredit gebracht. Aber mit Genua wurde kein Schlussstrich gezogen, im Gegenteil!  kein Schlussstrich 

   

 

     
   
Unerwartete Begegnungen
 
Begegnung  Ein brasilianischer Bischof, der sich kurze Zeit in Paris aufhielt, wollte mich treffen. Zur verabredeten Zeit traf er im Haus der Spiritaner ein, wo ich wohne. Sein Gesicht strahlte Güte aus. 
 
"Man kennt Sie in Brasilien", sagte er mir. "Ich habe Sie im Fernsehen gesehen. Ich bin sehr froh, Sie zu treffen, und ich möchte Ihnen sagen: Halten Sie durch. Machen Sie weiter. Sie erweisen der Kirche einen Dienst." Mir wurde warm ums Herz.
 
Wie überrascht war ich, als ich dann sein Alter erfuhr: 94 Jahre! "Ich habe das ganze Konzil miterlebt, und das Konzil hat mich bekehrt. Nach meiner Wahl zum Vizepräsidenten der Bischofskonferenz war es mir ein Anliegen, die Lehren des Konzils zu verwirklichen."
 
Ich bewunderte seine Offenheit, sein Eintreten für das Evangelium.
 
Als ich ihn zu Fuß zur Metrostation zurückbegleitete, sagte er mir zum Abschied nochmals: "Halten Sie durch."
 
Ein paar Tage später erfuhr ich von Freunden, dass der neue Kardinal von Honduras eine Begegnung mit mir wünschte. 

Kardinal O.A. Rodriguez - Honduras 

 
Wir verbrachten zwei Tage in der besinnlichen Atmosphäre des Foyer de la Roche d'Or in Besançon und tauschten wie Brüder unsere Gedanken aus. Der Kardinal interessierte sich sehr für meine Situation, und die Art, wie die Verantwortlichen in der Kirche damit umgehen, warf zahlreiche Fragen auf.
   

     
   

In Freiburg (Schweiz)

Papierlose in Freiburg Schweiz  Es war Pfingstmontag. Etwa vierzig Papierlose besetzten die Lokale der Kirche St-Paul. 

Fünfzig Tage später lud mich das Unterstützungskomitee als Redner zu einer Veranstaltung in der Kirche ein. Die Verhandlungen mit den Behörden kamen nicht voran und der Pfarreirat forderte die Papierlosen auf, die Kirche zu verlassen.

Glücklicherweise war der Pfarrer von Anfang an auf ihrer Seite. Die Sans-papiers waren sichtlich erfreut, mich zu sehen, sie empfingen mich wie einen Bruder. Ich fühlte mich wie zu Hause, hatte den Eindruck, sie schon immer gekannt zu haben.

An jenem Abend waren viele Leute anwesend, Priester, Ordensleute, Personen, die von weit her gekommen waren, Jugendliche. Einige der Papierlosen ergriffen selber das Wort. Informationen wurden mitgeteilt, Aktionen wurden vorgeschlagen.

Die Teilnehmer waren von den menschlichen Problemen dieser Fremden betroffen. Sie sahen Familien mit ihren Kindern. Sie sahen Gesichter. Ein Satz, den Jesus ausgesprochen hatte, wurde plötzlich lebendig: "Ich war fremd und ihr habt mich aufgenommen."   Ausländerausweis - Schweiz