Logbuch: April 2001 

  Familien besetzen ein Gebäude  Kommunikation ist Leben! 
  Die Kurden haben Hunger nach Würde und Freiheit
  Roma vor der Nationalversammlung   
  Geschichte von Partenia und Biographie von Bischof Jacques Gaillot
  Archiv  Partenia auf CD-Rom 
 
 

PARTENIA

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Familien besetzen
ein Gebäude 
à la Ville de Paris 

Fünfzig Familien, mehr als zweihundert Personen, haben sich in einem seit mehr als vier Jahren leer stehenden Gebäude eingerichtet, das der Stadt Paris gehört.

Diese Familien lebten in äußerst prekären Verhältnissen im Herzen der Hauptstadt. Eine gute Gelegenheit, um sich den Anwärtern auf das Bürgermeisteramt in Erinnerung zu rufen.

"vivre dans les logements d'extrême précarité"  Die Polizei war bald zur Stelle, um den Verkehr zu stoppen und mit ihren Wagen das ganze Quartier abzuriegeln. 

Ein Syrer kam auf mich zu und sagte mir: "Ich wohne hier in der Nähe. Wenn ich zur Arbeit gehe, komme ich immer an diesem leeren Gebäude vorbei. Also habe ich eines Tages Ihre Vereinigung angerufen, um sie auf diese Situation aufmerksam zu machen".

Plötzlich, ohne ersichtlichen Grund, hob die Polizei die Belagerung auf. Unter den begeisterten Beifallsstürmen der Demonstranten setzten sich die Polizeifahrzeuge in Bewegung: "Nur auf Wiedersehn, Brüder…"

Omar, ein lediger Marokkaner, sagt mir, wie sehr er enttäuscht sei: Den ganzen Tag hat er in der Kälte darauf gewartet, um von der Organisation eine Wohnung zu bekommen. Aber Omar ist einer von den Vielen, die an diesem Tag nicht einquartiert werden konnten.

Um allen gerecht zu werden, müsste man in Paris jeden Tag ein Haus besetzen!

     

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Kommunikation ist Leben!  sans frontières 

In Bad-Boll, unweit von Stuttgart, fand der jährliche Kongress der Religionslehrer für die Berufsschule statt. Thema: "Die Kommunikation im Informatikzeitalter". Es waren 140 junge Teilnehmer, alle protestantisch. Für mich war es eine sehr schöne Erfahrung. Der Kontakt mit den Jugendlichen, von denen viele Schwierigkeiten haben, ist für die Unterrichtenden bereichernd. Eine harte, aber faszinierende Arbeit.

vivre au milieu d'eux  Wir kommen bald aufs Internet zu sprechen, das unter den verschiedenen Medien eine Sonderstellung einnimmt. 

Es besitzt die Eigenart, dass es kein Zentrum gibt. Das Zentrum ist überall und der Umfang nirgends.

Das Internet ignoriert die herkömmlichen Grenzen. Es kommt nicht mehr alles von oben. Die Basis hat Vorrang. Man spricht mit Gleichberechtigten. Es gibt ein Recht auf Meinungsunterschiede. Das Wissen wird nicht mehr konfisziert. Es steht mehr und mehr zur Verfügung. Es ist eine Revolution, die es jedem und jeder erlauben wird, sich frei auszudrücken. Aber wir stehen erst am Anfang.

Eine virtuelle Diözese wie Partenia unterliegt weder institutionellen noch materiellen Zwängen. Sie existiert auf andere Art. Daher ist es wichtig, dass nicht das Modell der bestehenden Kirche reproduziert wird. Im weltweiten Netz wird nicht kopiert, sondern Neues geschaffen.  exister autrement 

Die Christen sind vernetzte Leute. Sie lernen das Kirche-Sein im Netz. Sie haben ein Zugriffsrecht. Das Internet ist tatsächlich ein originelles Kommunikationsmittel!

   

 

     
   

Die Kurden haben Hunger nach Würde und Freiheit  faim de dignité et de liberté 

IWie in anderen Städten Frankreichs sind auch in Montpellier 18 Kurden in den Hungerstreik getreten. Sie tragen ein weißes Stirnband. Einer von ihnen nimmt es ab, damit ich meine Unterschrift drauf setze. Am Abend esse ich bei seiner Familie und verbringe dort auch die Nacht. Sein Vater ist Maurer, er hat das Haus, wo die Familie wohnt, mit eigenen Händen gebaut. Seine Mutter, die ihn jeden Tag besuchen kommt, macht sich Sorgen: "Er hat schon
8 Kilo verloren.
Was wird jetzt geschehen?"

Diese Kurden haben bei den französischen Behörden alles unternommen, was man nur unternehmen kann, um einen geregelten Status zu erlangen. Umsonst. "Wir haben keine andere Wahl. Wegen der Repression können wir nicht in unser Land zurück. Wenn die Türkei nun ein demokratisches Land wäre, wo unsere Rechte geachtet würden, dann würden wir sofort dorthin zurückkehren, denn wir lieben unser Land."

Durch ihren Hungerstreik drücken sie auch ihren Hunger nach Würde und Freiheit aus!

Wir befinden uns auf einem berühmten Platz, der Place de la Comédie. Ich will gerade gehen, da nähert sich mir eine Frau und sagt: "Ich verstehe dieses Problem der Kurden nicht. Ich habe nichts gegen sie. Ich bin Christin, ich habe zwanzig Jahre lang Religionsunterricht erteilt, aber man kann schließlich nicht alle aufnehmen!"

   

 

     
   

Roma
vor der
National-
versammlung 

"C'est un événement d'importance" 

Im Juli vergangenen Jahres fanden zwölf Roma-Familien, im Ganzen zweiundfünfzig Personen, in Straßburg Zuflucht. Sie stammen aus Zamoly, einem kleinen Dorf in Ungarn, wo sie seit Jahren verfolgt worden sind. Auf die Klagen, die sie verschiedentlich eingereicht hatten, wurde nicht eingegangen. Der ungarische Staat hat sich nicht darum bemüht, ihre Rechte zu verteidigen.

In Straßburg klagten sie vor dem Europäischen Gerichtshof für die Menschenrechte und dem Europarat gegen ihr Land.

Eine solche Pressekonferenz hatte es bei der Nationalversammlung noch nie gegeben. Wir waren so zahlreich, dass wir einen größeren Saal finden mussten. Die Roma-Frage wurde auf einmal öffentlich diskutiert! Da die ungarische Regierung nicht für ihre Sicherheit garantieren kann, ist es sich Frankreich schuldig, ihnen Asyl zu geben; in Ungarn wäre ihr Leben in Gefahr.

Einige Tage später gewährte Frankreich zwei Familien Asyl. Man darf annehmen, dass andere denselben Status erhalten. Das ist ein Sieg. Ein wichtiges Ereignis. Nicht nur für die Roma von Zamoly, sondern für die 8 Millionen Roma aus verschiedenen Ländern Europas. Es ist ein deutliches Zeichen an die Adresse Ungarns, das seine Unzufriedenheit kundtut, aber auch für Polen und Rumänien, die den Beitritt zur Europäischen Union anstreben!