Logbuch: September 2000 

  Erinnerungen an Recife  Festival in Montguyon
  Vor dem Verwaltungsgericht   
  Geschichte von Partenia und Biographie von Bischof Jacques Gaillot
  Archiv  Partenia auf CD-Rom 
 

PARTENIA

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Erinnerungen an Recife

Die Bewegung "Igreja nova" von Recife hat mich eingeladen, an den Dom-Hélder-Câmara-Theologie-Tagen teilzunehmen.

Im Flugzeug nach São Paulo freue ich mich, wieder auf Brasilien und sein reizendes Volk zu treffen. - Wir sehen während unseres Fluges ganz deutlich die Meerenge von Gibraltar. So viele junge Marokkaner überqueren sie unter Lebensgefahr!

Wir überfliegen Mauretanien. Ich denke an meine mauretanischen Freunde in Paris, die über keine gültigen Aufenthaltspapiere verfügen, während meine jungen brasilianischen Nachbarn in ihren Videospielen vertieft sind ... Nach 11 Stunden Flug entdecke ich die Riesenstadt São Paulo, hell erleuchtet in der Nacht. Das Flugzeug setzt auf der Landebahn auf, die Passagiere applaudieren.

Ich besteige ein anderes Flugzeug nach Recife. Um Mitternacht kommen wir in dieser drei Millionen Einwohner zählenden Stadt an, die so stark von Überschwemmungen betroffen war - unter denen vor allem die Armenviertel zu leiden hatten.

Eine Delegation von "Igreja nova" ist da. Sie erwartet mich, empfängt mich und nimmt mich mit zum Franziskanerkloster, wo ich die Nacht verbringe.

Der Sonntag der Verklärung ist reich befrachtet. Sieben Taufen in einer Favela. Die von einem Franziskaner geleitete Feier ist einfach und würdig. Für die Familien ist es ein Ereignis. Sie verstehen mit dem Herzen, reagieren mit dem Herzen. Jeder und jede fühlt sich von Gott geliebt. Dann nehme ich an vier Messen teil, wo ich das Wort ergreife. Bewegende Augenblicke für mich, in der Dom-Hélder-Kirche der Messe vorzustehen und das daneben stehende Häuschen zu besuchen, in dem er gelebt hat und in dem er gestorben ist. In der Kathedrale bete ich vor seinem mit einer einfachen Friedenstaube geschmückten Grabstein.

Mein Beitrag hatte "die auf meinem Weg angetroffenen Widersprüche" zum Thema. Ich musste von mir reden, um besser über sie sprechen zu können. Damit sie ihre Erfahrung mit der meinigen vergleichen und bei der Interpretation ihrer eigenen Geschichte von meinem Bericht ausgehen konnten.

Nach Dom Hélders Rücktritt ernannte Rom sein Gegenteil zum Nachfolger in Recife. Für viele Christen war dies eine harte Prüfung.

Was ist aus ihnen geworden, nach all diesem Leiden an der Kirche, nachdem sie so vielen Hindernissen begegnet waren und Ablehnung erfahren hatten?

An diesem Abend begegnete ich Christen, die durch die Prüfung und die Schwierigkeiten reifer geworden waren, aber nicht verbittert, im Gegenteil. Die Hoffnung, das Elend zu überwinden, ohne sich von ihm erdrücken zu lassen, ist geblieben.

     

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Festival in Montguyon

Wer kennt das kleine Dorf Montguyon im Département Charente-Maritime? 700 Künstler beteiligten sich dort an diesem Fest für den Frieden und die Verständigung unter den Völkern, Haitianer, Palästinenser, Russen, Mexikaner, Kanadier ... Wirklich eindrücklich.

Man hatte mich eingeladen, an dieser Friedensveranstaltung den Vorsitz zu übernehmen. Mein Erstaunen war groß, als ich sah, dass in diesem bescheidenen Dorf junge Leute aus der ganzen Welt zusammenkamen!

Menschen ohne Titel und ohne Ämter hielten dort den Frieden hoch. Der Frieden bahnte sich sozusagen einen Weg - dank den Banden, die zwischen den Völkern geknüpft wurden, durch die Freundschaften, die über die Grenzen hinweg wirksam waren, dank den Kulturen, die einander näher kamen. Und all dies mit festlichen Klängen.

In Montguyon fühlte man sich als Weltenbürger, aktiv am Bau einer friedlichen Welt beteiligt.

   

 

     
   

Vor dem Verwaltungsgericht

Ein junges marokkanisches Paar befindet sich in Schwierigkeiten. Er soll ausgewiesen werden und hat beim Verwaltungsgericht Berufung eingelegt.

Um 9 Uhr treffen wir uns im großen Gerichtssaal. Ich bleibe an ihrer Seite, denn sie fürchten sich - um so mehr, als die Anwältin nicht da ist und der Gerichtspräsident dennoch die Sitzung eröffnet.

Alles ist trist in diesem Saal, der Präsident mit eingeschlossen.

Die Anwältin stürzt herein und zieht sich im Laufen den Talar über. Wir sind dran.

Der Präsident ist damit einverstanden, dass ich das Wort ergreife. Plötzlich habe ich das Gefühl, in der Haut eines Anwalts zu stecken, und ich beende meine Rede mit den Worten: "Herr Präsident, wenn es in meiner Macht läge, würde ich diesem jungen Mann die Papiere mit geschlossenen Augen und ohne Zögern geben." Der Präsident ist ziemlich überrascht ...

Nach ihrem Plädoyer wendet sich die Anwältin a mich: "Wir werden nichts erreichen, weil wir nicht das nötige Rechtsmittel einlegten."

Ich verlasse enttäuscht den Gerichtssaal. Um 12 Uhr soll die Entscheidung fallen. Ich bitte das junge Paar, mich per Handy zu benachrichtigen.

Um 12.15 Uhr dann der Anruf: "Wir habens geschafft, wir haben gewonnen. Das wird gefeiert. Wir laden Sie zum Abendessen ins Restaurant ein!"

Der Couscous war ausgezeichnet - aber die Anwältin war nicht eingeladen ...