carnet de route
 
Corrida, basta!  
Solidaritätsdelikt  
Industrielle Geflügelhaltung  
Erpressung von Sozialversicherungsbeiträgen  
   
   
Corrida, basta!  
   
Das ist der Titel eines Buches, das mir der Autor, ein langjähriger Freund, hat zukommen lassen. «Corrida, basta!» ist ein geharnischtes Pamphlet gegen die Stierkämpfe. Der Autor erhebt eine heftige Anklage gegen den Stierkampf. Was für eine Frechheit! Kein Respekt! Er klagt die Politiker und Politikerinnen an, die das in Schutz nehmen, und macht sich Gedanken über deren Sexualität.  
   
Die Lektüre hat mir grossen Spass gemacht. Als Mitglied der Alliance anti-corrida und des Comité radicalement anti-corrida kann ich nur applaudieren.  
   
violence à des taureaux Im Stierkampf wird den Stieren in einem ungleichen Kampf Gewalt und Leiden aufgezwungen, rein zu unserem Vergnügen. Ein Spektakel der Grausamkeit, bei dem die Zuschauer Beifall klatschen.
 
   
Wir sollten uns fragen, wieso wir gegen Tiere so gewalttätig sind. Tiere haben Rechte. Wenn wir sie nicht achten, wie werden wir dann die Menschenrechte achten. Das hängt zusammen.  
   
Ich stimme Marguerite Yourcenar – Mitglied der Académie française – vollkommen zu, wenn sie sagt:  
   
«Was kann ich in Bezug auf die Rechte des Tieres sagen, was ich nicht schon gesagt hätte? Sie sind selbstverständlich unantastbar, wie die unsrigen. Zu oft waren Menschen mit ihresgleichen grausam, weil sie die Grausamkeit zuerst an den Tieren geübt hatten. Man hätte die plombierten Waggons, die in Richtung Konzentrationslager fuhren, weniger selbstverständlich akzeptiert, wenn man nicht auch das Leiden der Tiere im Kastenwagen auf dem Weg zum Schlachthof ohne jeglichen Gedanken daran akzeptiert hätte.»  
   
Corrida, basta!  
   
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Solidaritätsdelikt  
   
délit de solidarité Verschiedene Organisationen haben sich zusammengetan, um in mehr als 80 Städten gegen das «Solidaritätsdelikt» zu protestieren. Auf der Place Saint-Michel in Paris haben sich etwa tausend Personen versammelt. Auf den von den Demonstranten hochgehaltenen Spruchbändern kann man lesen: «Gegen mich kann Anzeige erstattet werden, ich helfe den Sans-Papiers» – ?
«Wenn Solidarität strafbar wird, verlangen wir Sanktionen gegen uns» – «Wir sind Delinquenten».
 
   
So steht es im Gesetzesartikel: «Wer durch direkte oder indirekte Unterstützung einem Ausländer hilft – oder dies versucht –, in Frankreich einzureisen, sich hier zu bewegen oder illegal aufzuhalten, wird mit fünf Jahren Gefängnis und 30'000 Euro Busse bestraft.»  
   
Im Moment erleben wir eine Zunahme der polizeilichen Schikanen gegenüber den Helfern der Sans-Papiers. Ihre Wohnungen werden durchsucht, Handys werden beschlagnahmt, sie werden in Gewahrsam genommen. Das ist untolerierbar. Die Sans-Papiers sind menschliche Wesen, die unter sehr prekären Umständen leben. Sie brauchen dringend Unterstützung. Zum Glück gibt es Frauen und Männer, die – Gesetz hin oder her – sich menschlich verhalten.  
   
Sie stehen da auf der Place Saint-Michel. Sie brüsten sich nicht damit. Sie tun es nicht aus Eigennutz. Sie sind ganz einfach solidarisch, denn der Mensch ist ihnen nicht gleichgültig. Sie sind bereit, gegen Gesetze zu verstossen, die sie als unmenschlich ansehen.
être humain
 
   
Was werden die zukünftigen Generationen über diese Periode unserer Geschichte sagen?  
holder
 
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Industrielle Geflügelhaltung  
   
Ich war für Fernsehaufzeichnungen nach Quebec gereist und fuhr von Montreal aus weiter zu einem anderen Treffen. Unterwegs hielt der Fahrer in einem Dorf an, um frische Eier zu kaufen. Ein unvorhergesehener Zwischenhalt, wie es auf Reisen vorkommen kann… Wir waren nicht die einzigen Einkaufswilligen, eine ganze Kolonne von Wagen stand vor uns, die Leute hatten alle dasselbe Ziel.  
   
Die frischen Eier wurden im Dutzend gekauft. Der Betriebsleiter wollte unbedingt, dass ich mir seine Geflügelzucht ansehe, den Beweis seines Erfolgs.  
   
elevage industriel volailles Er nahm mich mit in den hinteren Teil des Gebäudes, und wir betraten eine riesige, schwach beleuchtete und gut geheizte Halle. Ich sah ein Meer von Küken. Der Direktor sagte mir voller Genugtuung: «Es sind neuntausend. Alles ist genau berechnet: Die Lüftung, die Heizung, die Fütterung.»
Er bückte sich, um nicht ohne Mühe ein Küken aufzunehmen. Er legte es mir stolz in die Hand.
 
   
Das arme Küken verharrte ruhig in meiner Hand und schaute mich an. Es schien mir zu sagen:
«Ich lebe in dieser Hölle. Nie werde ich das Tageslicht sehen, nie werde ich vom Hühnerstall ins Freie und wieder zurück laufen, nie werde ich mit Lust nach Nahrung suchen können… Bald wird man mich mit Soja vollstopfen, damit ich zu billigem und verbraucherfreundlichem Fleisch werde.»
pauvre poussin
 
   
Acht Wochen vergehen vom Ausschlüpfen bis zur Tötung. Alles programmiert. Jeder Tag zählt. Das kleine gelbe Küken wäre gern mit mir gekommen, aber sein Schicksal war mit demjenigen von neuntausend anderen verbunden. Massentierhaltung, industrielle Zucht. Eine Hölle für das Federvieh und schlechter Frass für uns.  
   
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Erpressung von Sozialversicherungsbeiträgen  
   
sans-papiers travailleurs Es geht um die Sozialversicherungsbeiträge der arbeitenden Sans-Papiers. 40 Organisationen weisen auf diesen Missstand hin: Seit Jahrzehnten knöpfen die französische Regierung und die Arbeitgeber den Sans-Papiers Beiträge ab.
 
   
Auf diese Art nimmt der französische Staat jährlich etwa 2 Milliarden Euro ein, während die Arbeiter, weil sie keine Papiere haben, von den Leistungen nicht profitieren können.  
   
Diese Gelderpressung ist inakzeptabel, vor allem weil diese Leute weggewiesen werden können und dann plötzlich wieder in Bamako, Dakar, Tunis, Alger sind, gedemütigt und ohne Mittel…  
   
manifestation Wir rufen deshalb die Konsulate, die bei dieser Erpressung mitmachen, auf, der französischen Polizei keine Passierscheine mehr auszuhändigen, die dann die Wegweisung ihrer papierlosen Landsleute bewirken.
 
   
In dieser Richtung wurden bei den Konsulaten von Mali, Algerien, Senegal, Guinea, Madagaskar, Burkina Faso und anderen Schritte unternommen. Das Schlusslicht bildet aber das tunesische Konsulat, dort ist es kein Problem, einen Passierschein unterschreiben zu lassen. Die tunesische Regierung ist das einzige Land im Maghreb, das mit Frankreich ein Abkommen über «selektive Immigration» abgeschlossen hat im Jahre 2008.  
   
In der algerischen Botschaft wurde eine Delegation empfangen, zu der auch ich gehörte. Der Zeitpunkt war günstig, denn in Algerien fanden gerade die Präsidentschaftswahlen statt. Die Leute der Botschaft kannten das Problem schon lange. Wir verlangten, die algerische Regierung sollte bei der französischen Regierung intervenieren, um die Regularisierung der algerischen Sans-Papiers-Arbeiter durchzusetzen.