Drei Fragen an Jacques Gaillot
 
Seit Anfang dieses Jahres haben sich in den französischen Gefängnissen 90 Häftlinge das Leben genommn, so neulich auch ein 16-jähriger aus Metz. Was sagen Sie zu dieser doch sehr hohen Selbstmordrate?  
   
Ich stelle die Verbindung her zwischen den Gefängnissen und der Gesellschaft, die diese hervorbringt. «Sag mir, was deine Gefängnisse sind, und ich sage dir, was das für eine Gesellschaft ist, in der du lebst.» Die Gefängnisse widerspiegeln das, was in der Gesellschaft vor sich geht.
Die französischen Haftanstalten sind der Ausdruck dafür, dass die Gesellschaft eine große Zahl von Ausgeschlossenen produziert. Leute, die im Konkurrenzkampf nicht mithalten können. Die Gesellschaft braucht sie nicht. Eine Gesellschaft, welche die Gewalt der Ungerechtigkeit ausübt, gibt sich die Gefängnisse, die wir heute kennen.
 
   
destruction de vies Unsere Gefängnisse sind überfüllt (noch nie waren die Gefangenen so zahlreich wie heute), die Lebensbedingungen dort sind erbärmlich. Eine unhaltbare Situation. Und es ist meiner Ansicht nach ein Fehler, Minderjährige in solche Anstalten zu stecken. In den Gefängnissen werden Leben zerstört. Es gibt doch Ersatzstrafen. Wozu?
 
   
Präsident Bush ist fast am Ende seiner Amtszeit angelangt. Er hatte versprochen, vor Ablauf seines Mandats zwischen den Israelis und den Palästinensern einen Friedensschluss herbeizuführen. Wie steht es mit diesem Versprechen?  
   
Dieses Versprechen ist so gut wie gestorben. Der Präsident spricht nicht mehr davon. Er hat andere Prioritäten. Der Friedensplan ist auf Eis gelegt. Die Siedler bekommen weiterhin Baugenehmigungen, wilde Kolonien werden nicht aufgehoben, die Zahl der Checkpoints nimmt zu und es gibt immer noch 11 600 palästinensische Gefangene in Israel! Es gibt keine palästinensische Familie, von der nicht irgendein Mitglied im Gefängnis gesessen hätte!
paix est suspendu
 
   
Die jüngsten Auseinandersetzungen in Saint-Jean d’Acre (Akkon) zeigen, wie sehr das friedliche Zusammenleben zwischen Juden und Arabern an einem Faden hängt. Die Aussicht auf einen palästinensischen Staates rückt in weite Ferne. Aber das palästinensische Volk wird nicht auf seine Rechte verzichten.  
   
Die europäischen Staaten haben im Schlepptau der USA vor kurzem einem milliardenschweren Rettungsplan zugestimmt, 1700 Milliarden Euro wurden gesprochen. Haben Sie den Eindruck, dass mit verschiedenen Ellen gemessen wird, dass man immer Geld findet, um den Banken zu Hilfe zu eilen?  
   
réduire la pauvreté Das ist absolut richtig. In Frankreich hatte man Mühe, vom Staat eine Teilfinanzierung zugesprochen zu bekommen für den Solidaritätsfonds RSA, eine Einrichtung, die Hoffnung macht und deren Ziel es ist, bis 2012 die Armut um einen Drittel zu reduzieren. Und was muss der Staat zahlen? 1,5 Milliarden pro Jahr!
Unter den Demonstranten, die in Brüssel vor der Nationalbank ihrem Unmut Ausdruck gaben, trug einer ein Plakat, auf dem stand:
Milliarden für Fortis und Dexia. Und ich, und ich, und ich?
 
   
In den USA wurden die Leute, die ihre Hypothek nicht zurückzahlen konnten, aus ihren Häusern vertrieben. Die Kassen der Banken, die mit hohen Risiken behaftete Kredite gewährt hatten (Subprimes), wurden wieder gefüllt (außer im Fall von Lehman Bothers)…