Drei Fragen an Jacques Gaillot
 
Sie sind soeben aus Lourdes zurückgekommen. Die französischen Bischöfe hatten Sie eingeladen, dort an den Treffen mit Papst Benedikt XVI. teilzunehmen. Was sind Ihre Eindrücke?  
   
pélerins Die Menschenmenge von Lourdes an erster Stelle, Kranke und Behinderte. Nicht wie in der Masse in Paris mit Politikern und anderen wichtigen Persönlichkeiten ganz vorn, sondern einfache Leute. Viele Pilger sind aus Italien, Spanien, Polen gekommen … und all die Menschen bereiten dem Papst einen wunderbaren Empfang. Egal ob die Sonne scheint oder ob es regnet, trotz manchmal langen Wartezeiten und lateinischen Gesängen, die Menge ist da, oft stehend, und gibt ihrer Freude und ihrem Glauben Ausdruck. Ich werde nicht müde, diese unendlich große Menschenansammlung zu betrachten.
 
   
Auf der Estrade, nahe beim päpstlichen Altar, bin ich von afrikanischen Bischöfen umgeben, aus Mali, Kameruner, Burkiner. Die Liturgie ist nüchtern, traditionell. Die Predigt des Papstes ist eine tief schürfende Meditation über das Kreuz. Aber das Leben von heute fehlt. –  
   
Mit den französischen Bischöfen zusammen ist Benedikt XVI. sich selbst und der Lehre treu geblieben. Der Grundton seiner Rede war sicher brüderlich. Aber da war nichts von einer Öffnung auf die Zukunft hin zu spüren, keine Initiative, die Hoffnung gegeben hätte.
messe à Lourdes
 
   
Die Frage der Laizität und der Religionen ist in Frankreich stets ein heikles Thema. Die Art, wie der Papst und Sarkozy darüber geredet haben, hat Polemiken entfacht. Wie denken Sie als Kirchenmann darüber?  
   
Man sollte am Prinzip der Laizität festhalten, ohne von «offener» oder «positiver» Laizität zu sprechen. Der Dialog und die Verhandlungen zwischen dem Staat und der katholischen Kirche dauern in dieser Frage schon hundert Jahre. Ein Nebeneinander ohne Berührungspunkte ist gar nicht möglich. Die Laizität beschränkt sich nicht auf Neutralität. Die Kirche hat notwendigerweise eine soziale Dimension.  
   
Was heute neu ist, ist die Tatsache, dass wir in einer multikulturellen und multikonfessionellen Gesellschaft leben. Da spielt besonders der Islam eine Rolle; mit 5 Millionen Moslems ist er zur zweiten Staatsreligion geworden. Die Laizität muss die Gleichbehandlung der verschiedenen Religionen garantieren. Es soll nicht so sein, dass eine Religion einen beherrschenden Status hat und Privilegien. Die Akzeptanz dieser Werte der Laizität braucht Zeit und es wird sicher nicht ohne Konflikte gehen. Alle müssen sich dieser Herausforderung stellen.
société pluriculturelle
 
   
Der Tod von zehn französischen Soldaten in Afghanistan hat in der Öffentlichkeit einen Schock ausgelöst. Präsident Sarkozy will ein neues Kontingent in dieses Land schicken, um die militärische Präsenz zu verstärken und effizienter gegen den Terrorismus kämpfen zu können. Ist das die Lösung?  
   
Ein Sieg durch die militärische Überlegenheit der internationalen Streitkräfte scheint mir in Afghanistan unmöglich zu sein. Die Armee der Besetzer befindet sich in einer Sackgasse. Ich höre genau die gleichen Reden, die ich während des Algerienkriegs hörte: «Wir sind für eine gerechte Sache da. Die Werte der Freiheit und der Demokratie müssen verteidigt werden…»  
   
occupation Die Afghanen schätzen weder die Besetzer noch die Leute aus dem Westen. Das Land bleibt im Elend, der Korruption ausgeliefert.
Die Häufung von militärischen Fehlern tötet viele Zivilpersonen.
Der Westen hat 2001 das Regime der Taliban gestürzt, aber diese sind immer noch da, und wie. Jedes Mal wenn sie Soldaten töten, wissen sie genau, wie das im Westen wirkt. Wegen der zehn getöteten französischen Soldaten ist Präsident Sarkozy persönlich nach Afghanistan gereist. Ein schöner Mediensieg für die Taliban.
Wie soll man aus diesem Sumpf wieder herauskommen? Sicher nicht durch Waffengewalt. Einen Ausweg kann es nur durch politische Verhandlungen geben.