Drei Fragen an Jacques Gaillot
 
Der amerikanische Senat hat das Verbot des «Waterboardings» (simuliertes Ertränken, um mutmaßliche Terroristen zum Sprechen zu bringen) beschlossen. Georges Bush lehnt es ab, von Folter zu reden, und könnte sein Veto einlegen. Was denken Sie über diese Debatte?  
   
Es gereicht dem amerikanischen Senat zur Ehre, dass er sich gegen das «Waterboarding» ausspricht. Wer sich all dem widersetzt, was die Zerstörung des Menschen in Kauf nimmt, nur um Informationen zu erzwingen, wer dies ablehnt, der anerkennt die menschliche Würde.  
   
Das simulierte Ertränken, eine Methode, die in Kriegszeiten oft angewendet wird, ist eine Folter, die mit größter Entschiedenheit verurteilt werden muss, und dieses Verbot muss im Gesetz festgeschrieben werden.
torture
 
   
Georges Bush, der Mann, der den Krieg im Irak angezettelt hat, wäre gut beraten, diesen Senatsentscheid gutzuheißen. Es geht darum, dass das Recht Vorrang hat gegenüber der Gewalt. Der Vorrang des Rechts ist Voraussetzung für die Gerechtigkeit. Die Achtung der menschlichen Rechte gereicht der Demokratie zur Ehre.  
   
Sind Sie für Mac Cain, für Clinton oder für Obama?  
   
Obama Ich bin für Obama. Er ist kein alter Hase in der Politik, keiner aus dem Kreis der «Eingeweihten», wie das in Frankreich oft der Fall ist. Er ist jung und unverbraucht, ein neues Element in der politischen Landschaft. Sein Charisma ist unbestritten. Er hat den Mut gehabt, sich dem Krieg im Irak zu widersetzen.
Ein farbiger Präsident wäre in den Vereinigten Staaten ein starkes Symbol sowohl für die Weißen wie auch für die Schwarzen. Man ist versucht zu denken, dass der Rassismus dadurch abnehmen wird.
Ich glaube, Obama ist ehrlich. Seine Worte finden bei den einfachen Leuten Gehör. Aber da ist noch vieles unklar und auch widersprüchlich…
 
   
Nicolas Sarkozy hat vorgeschlagen, in Frankreich solle jeder Schüler der letzten Grundschulklasse den Namen und die Geschichte eines französischen jüdischen Kindes lernen, das Opfer des Holocausts geworden sei. Was halten Sie davon?  
   
école primaire Ich bin bezüglich dieser Initiative sehr zurückhaltend, ich fühle mich nicht ganz wohl dabei. Hier wird dem Kind fast etwas aufgezwungen. Vergessen wir nicht, dass es Kinder gibt, die es ohnehin nicht leicht haben, die in ihrer Familie Schlimmes erleben. Warum sollten wir ihnen eine Last aufbürden, die wir selbst nicht tragen? Diese Jungen sind lebendig, sie wollen leben, und man will, dass sie sich mit dem Tod beschäftigen!
 
   
Das Lebendighalten der Erinnerung darf nicht durch Zwang geschehen. Man kann den Kindern nicht die Shoah eintrichtern, sie ihnen aufdrängen. Das muss freiwillig geschehen. Es besteht tatsächlich das Risiko, dass man mit Emotionen spielt, sensible Charaktere aufwühlt.  
   
Ich finde, man sollte sich nicht auf den Holocaust konzentrieren, sonst müsste man ja auch von den palästinensischen Kindern reden, von den Kindern der Kurden … Im Unterricht hat der Holocaust seinen Platz und es wird auf seine spezifische Besonderheit eingegangen. Die Jugendlichen haben Gelegenheit, das Tagebuch der Anne Frank zu lesen.
journal d'Anne Frank